Alle Artikel in der Kategorie “Kontext” behandeln keine Fakes. Wir veröffentlichen diese Artikel um sie über die Ereignisse des russischen Informationskrieges zu informieren.
Am Mittwoch, dem 28. September 2016 veröffentlichte die Niederländische Staatsanwaltschaft den zweiten Teil des Berichts über die Ursache des Absturzes von „MH17“. Darin enthalten sind neue Details über den Abschussmechanismus, von der das Flugzeug abgeschossen wurde, den Startplatz der BUK-Rakete sowie über den Täterkreis.
Lesen Sie in diesen Zusammenhang unseren Bericht zur russischen Berichterstattung zum ersten Teil des Berichts vom Oktober 2015.
Dieses Mal, zur Veröffentlichung des zweiten Berichts, haben russische Medien nochmals „neue” Details vom russischen Verteidigungsministerium und von dem Vertreter des größten russischen Militärkonzerns “Almas-Antei” (der Raketensystem “Buk” produziert) erhalten. Anbei eine Chronologie der russischen Medienlandschaft. [spacer style=“1″]
14.September
Am 14. September wurde zuerst in der russischen Zeitung “Nowaja Gaseta” ein Dokument mit fragwürdiger Herkunft publiziert, das als Grundlage für die weitere russische Reaktion auf die Erkenntnisse der niederländischen Staatsanwaltschaft über das Geschehen am 17. Juli 2014 veröffentlicht wurde.
Das dubiose Dokument kritisiert darin scharf das bisherige Untersuchungsteam von Bellingcat (Anmerkung: Gruppe von Journalisten und Blogger), das auf der Basis von offen zugänglichen Daten, schlüssige Indizien und Beweise für russischen Truppen am Abschussort gefunden hatte. Darüber hinaus konnte Bellingcat die Identifizierungsnummer der abgeschossenen „Buk” und den ungefähren Punkt des Abschusses klar benennen. Noch am selben Tag veröffentlichte Bellingcat eine Erklärung, wonach die vorgebrachte Kritik an Bellingcat eindeutig wiedergelegt werden konnte. Trotz der Richtigstellung ist der fehlerhafte Artikel weiterhin auf der „Nowaja Gaseta”-Website abrufbar.
Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, dass die „Nowaja Gaseta” bereits früher einige durchaus dubiose Quellen zu diesem Thema veröffentlicht hatte. So hatte die Zeitung bereits um den ersten Jahrestag des Abschuss von MH17 im Mai 2015 einen tendenziösen Artikel veröffentlicht. Damals wurde ebenfalls ein angeblich „streng geheimes und vertrauliches Dokument“ veröffentlicht mit angeblich „stichhaltigen“ Argumenten von russischen Ingenieure für die Internationalen Experten der Untersuchungskommission. Die russischen Ingenieure behaupten in dem Artikel, dass weder Russland noch die selbsternannten „Volksrepubliken“ Schuld am Abschuss haben würden.[spacer style=“1″]
22.September
Am 22. September 2016 berichtete die Presse-Abteilung von “Almas-Antei” (Amk. größter russischer Rüstungskonzern), dass das Unternehmen den zuständigen russischen Behörden bisher nicht veröffentlichte Daten über die Ergebnisse des 17. Juli 2014 übergeben würden. Diese Informationen sollten die Behörden an die niederländische Seite weiterleiten. Es gehe dabei um nicht bearbeitete Radarbilder des Luftraums vom fraglichen Tag, die zwei Jahre zuvor vom Rostower Radar-Sender (TRLK) “Ust-Donetsk” gemacht worden wären.
Es bleibt dabei unklar, warum es zwei Jahre gedauert hat diese Daten zur Verfügung zu stellen. Weiterhin fraglich ist, wann die niederländische Seite die Daten einsehen kann und wie diese Daten die weitere Untersuchung beeinflussen könnte.[spacer style=“1″]
26.September
Am 26. September 2016 hielt das russische Verteidigungsministerium zusammen mit russischen Ingenieuren eine Pressenkonferenz ab. Auf dieser Pressekonferenz verkündeten die Wissenschaftler abermals, dass es absolut ausgeschlossen sei, dass „MH17“ von einem russischen Raketenkomplex des Typs „Buk“ abgeschossen worden wäre.
Ein Zitat der Pressekonferenz im ganzen Wortlaut: „Die Analyse der primären Radardaten widerlegt die Behauptung der ukrainischen Seite, dass der Abschuss der Rakete, die MH17 getroffen hat, noch dass es aus der Gegend der Stadt Snishe durchgeführt werden konnte”, – erklärte das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation auf der Pressekonferenz in Moskau.
Während dieser Pressekonferenz wurde des Weiteren verlautbart, dass zu dem Zeitpunkt des Absturzes keine anderen Flugzeuge auf der östlichen Seite der Radarbilder aufgezeichnet wurden. Diese Aussagen widersprachen allerdings einer früheren Version der russischen Behörden über die Beteiligung eines angeblichen ukrainischen Jagdflugzeuges auf diesen Radarbildern. Es bleibt unklar, warum die Radardaten nun verändert wurden, und warum es keine Daten westlich von dem Absturzpunkt gibt.
Zur Erinnerung: Im Jahr 2014 veröffentliche die russische „Komsomolskaja Prawda” sogar einen eigenen „geheimen Zeugen” der eine ukrainischen Militärbasis als Startpunkt des ukrainischen Kampfjets anführte.
Zusätzlich wurde darüber hinaus auf der Pressekonferenz von russischer Seite an das Jahr 2001 erinnert, in dem eine ukrainische Rakete während einer militärischen Übung ein russisches Passagierflugzeug TU-154 abgeschossen hatte. Damals, so das russische Verteidigungsministerium hätten ukrainische Behörden die Radiodaten damals „auch versteckt“.
Ein weiteres Ziel der Konferenz war es, die Ukrainische Seite darin zu beschuldigen angeblich geheime Daten über die Ortung und Berechnung des Flugabwehr-Raketen-System (ZRK) „Buk” und „die Gespräche der Militärkontrolle vom Tag der Katastrophe von MH17“ zu verheimlichen.
Video der Pressekonferenz, 26. September 2016:
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Nach dem Ende der Pressekonferenz, beschuldigten auch russische Medien die Ukraine, und daher auch die Autoren des offiziellen internationalen Berichts von 28. September 2016, einer “Verschleppung”, “Vertuschung, Verstrickung”, eines “Irrweges” und der Parteilichkeit. Insbesondere, darüber schrieben “Komsomolskaja Prawda”, “Rossiyskaya Gazeta“, „Zvezda“, RIA Novosti, REN TV, Russia Today und andere.
Screenshot: tvzveda.ru
Davon getrennt zu betrachten ist die Berichterstattung vom russischen Nachrichtenportal “Sputnik”. Dieses veröffentlichte einen Artikel “Der wahre Grund für die Verzögerung der Untersuchung MH17 und deren Absturz in der Ukraine”. Der Artikel bezog seinen Gehalt vor allem aus den Aussagen des wenig bekannten ehemaligen Abgeordneten der ukrainischen kommunistischen Partei Alexander Golub. Dieser stellte fest, dass die Kiewer Regierung nicht daran interessiert sei, die Tragödie von MH17 wirklich zu erforschen. Zusätzlich beschuldigte Golub auch die USA an der Vertuschung von Informationen.
Screenshot: sputniknews.com
Wie bereits früher veröffentlichte nach der Pressekonferenz des Verteidigungsministeriums der RF, Bellingcat eine Widerlegung der neuesten offiziellen russischen Version. Der Text ist auf der Website von Bellingcat nachzulesen.[spacer style=“1″]
Die Änderungen an den russischen Daten
In den letzten zwei Jahren unternahm die russische Regierung und russische Medien viele Versuche unterschiedlichstes Versionen und Theorien über die Ursachen des Abschusses von „MH17“ in Umlauf zu bringen. Sie alle bestreiten eine mögliche Beteiligung von Russland oder der Seite der Separatisten für den fraglichen Tag des 17. Juli 2014.
Zuerst verkündetet im Juli 2014 der Leiter des Generalstabs der RF, Generalleutnant Andrei Kartapolov, dass russische Medien objektive Beweise hätten, dass ein ukrainisches Kampfflugzeug den Luftraum vor dem Absturz der Boeing gestreift hätte.
“Ein aufsteigendes ukrainisches Flugzeug wurde registriert, seine Nähe zur malaysischen Boeing lag zwischen drei und fünf Kilometern… Ein Beweis dafür ist Videomaterial dass das Aufklärungszentrums in Rostow am Don gesammelt hat. Wir würden gern eine Antwort auf die Frage erhalten, aus welchen Grund das ukrainische Flugzeug im Bereich des zivilen Luftraums unterwegs war und warum es auf demselben Flugniveau wie die malaysischen Boeing flog.”, – wird Kartapolov von der russischen Nachrichtenagentur TASS zitiert.
Das russische Untersuchungskomitee, das eigene Untersuchungen durchgeführt hatte, hatte mehrfach im Jahr 2015 festgestellt, dass MH17 von einer Luft-Luft Rakete eines ukrainischen Jagdflugzeuges getroffen wurde.
Screenshot tass.ru
Und auch der Konzern “Almaz-Antei” veränderte mehrmals die Versionen zur Urheberschaft der „Buk“-Rakete, die das Flugzeug zum Absturz brachte.
Ursprünglich wurde verlautbart, dass es sich um einen Raketentyp der Klasse 9M38M1 handle. Später im Oktober 2015, nach Explosionsexperimenten wurde ein neuer Raketentyp bestätigt, der des Typs von 9M38. Der erste Typ der Rakete wurde auf Militärparaden festgestellt, dass die Existenz von solchen Waffentypen aus Russland bestätigt.
Als ein Resultat der Veröffentlichung des Berichts von “Almaz-Antei”, verkündete der Kreml am 13.10.2015. dass Russland es ablehne eine russische Täterschaft für den Abschuss in Betracht zu ziehen. Grund seien die „ernsthaften Gründe des genannten Berichts wonach eine Beteiligung Russlands unmöglich sei.
Erinnern wir uns daran, dass am selben Tag, dem 13. Oktober 2015, der erste offizielle Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft der Niederlange veröffentlicht wurde. Der Bericht konkretisierte den Abschussbereich, von dem das Flugzeug abgeschossen werden konnte. In diesen 320 qm² großen Zone liegt Snishnje (laut den Bellingcat Daten, genau aus der Stadt von der die russische „Buk” das Flugzeug abgeschossen wurde) sowie und Zaroshchenskoe (der Bericht von “Almaz-Antei” nennt es als den Punkt des Raketenstarts des angeblichen ukrainischen Buk-Komplex).[spacer style=“1″]
Screenshot: tass.ru
Screenshot: novayagazeta.ru
Es ist offensichtlich, dass die Zeit der Veröffentlichung der neuen russischen aufklären Daten (wie auch schon davor) nicht zufällig gewählt wurde. Innerhalb von zwei Wochen wurden wiederholt neue Argumente von der russischen Seite hervorgebracht und Stück für Stück der russischen Öffentlichkeit präsentiert. Alle Veröffentlichungen hatten die einzigen Zwecke die Verantwortung für den Abschuss von MH17 von Russlands abzuwenden.