Der englischsprachige russische Staatssender RT (ehemals Russia Today) berichtete letzte Woche über eine Geschichte, die behauptet, dass Ukrainer, die durch den Krieg im Donbas aus ihrer Heimat vertrieben wurden, in der Ukraine nicht willkommen seien.

Sfollati Donbas
Website screenshot russian.rt.com

Die Journalistin Antonina Mykhailenko, die für RT aus Kiew schreibt, stützt sich dabei auf unbenannte Experten, Hörensagen und weitreichende Verallgemeinerungen. „Ukrainer mögen Binnenflüchtlinge nicht“, erklärt Mykhailenko, und während offizielle Daten das Gegenteil beweisen, ignoriert die Autorin alles, was ihre These nicht unterstützt. Ihr nach wird den „Menschen, die den Donbas verlassen, Unterkunft und Arbeit verweigert und sie werden beschuldigt, den Krieg ausgelöst zu haben“. Die Autorin missachtet soziologische Daten, die ihre Argumentation nicht unterstützen, als „absichtlich unterrepräsentiert.“

Obwohl Mykhailenko sich den offiziellen Bericht vom September 2017 über Binnenflüchtlinge (IDPs) vom offiziellen nationalen Monitoring-System der Ukraine in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration stützt, werden die erhobenen Daten kategorisch von einem „ungenannten Direktor eines führenden ukrainischen soziologischen Instituts“ als nichtig bezeichnet. „Er behauptet“, dass der Bericht nicht die Realität widerspiegelt, weil nur die Binnenflüchtlinge, die nach Kiew gekommen sind, in die Studie einbezogen wurden“. Der anonyme Experte behauptet auch, dass die Ukraine kein einziges Programm für die Umsiedlung von Binnenflüchtlingen aus dem Osten besitzen würde. Zusätzlich gebe es auch keine Hilfsprogramme, um die Binnenflüchtlinge zu unterstützen.

Die RT-Geschichte ist mit einer ganzen Reihe an Verallgemeinerungen gefüllt. Die Geschichte enthält nur ein offizielles Zitat eines Experten des Instituts der GUS-Staaten, einer russischen NGO, die die postsowjetischen Nachbarländer Russlands untersucht. Dieses Institut wird oft von pro-Kreml Medien zitiert.

Kommen wir aber zu den Fakten: Seit 2015 hat die Ukraine ein integriertes staatliches Programm eingeführt, das unter anderem die Integration und soziale Anpassung von Binnenflüchtlinge an ihrem neuen Wohnort erleichtert. Das Programm hat viele soziale Kampagnen gestartet, wie in man beispielsweise in dieser interaktiven Karte nachlesen kann. Die Karte zeigt allen Organisationen die helfen, IDPs in der Ukraine zu unterstützen.

Website screenshot unhcr.org.ua
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Die Internationale Organisation für Migration bereitet seit 2016 selbst Berichte über ukrainische Binnenflüchtlinge vor. Der Bericht vom September 2017 basiert auf Daten aus 24 Regionen, die aus persönlichen Interviews und Telefoninterviews, Umfragen, Zielgruppen und anderen relevanten Daten zusammengefasst wurde. Für diesen Bericht wurden 1205 Binnenflüchtlinge-Haushalte in 205 verschiedenen Orten in der Ukraine befragt.

Laut dem Bericht gab es nur dann Fälle von Diskriminierung ggüber Binnenflüchtlingen, wenn man die Verweigerung von Sozialleistungen in Betracht zieht. Insgesamt nur neun Prozent der befragten Binnenflüchtlinge gaben an, diskriminiert zu werden, vor allem in den Bereichen Unterbringung, Arbeit und Gesundheitsversorgung. Zwei Prozent berichteten über Spannungen zwischen Binnenflüchtlinge und der angestammten Bevölkerung, während ein Prozent der Befragten Spannungen zwischen Binnenflüchtlinge und ATO-Veteranen bemerkten, die von ihrem Militärdienst aus der Kriegszone zurückkehrten.

Das angesehenste Analyseinstitut der Ukraine, das Kiewer Internationale Institut für Soziologie, hat eine Umfrage für die hohe Kommissarin für Flüchtlinge über die Einstellung der Ukrainer gegenüber Binnenflüchtlingen angefertigt. Die Ergebnisse zeigen, dass 43 Prozent gesagt haben, dass ihre Ansichten über IDPs positiv sind, 47% sagten, dass sie neutral seien. Nur 6% äußerten sich negativ, 4% waren sich nicht sicher.

Als Antwort auf die Frage „Würden Sie Binnenflüchtlinge einstellen, um Ihr Haus zu renovieren, wenn Sie ihre Qualifikation und Preisvorstellung befriedigend gefunden haben?“ sagten 60% Ja, 20% sagten Nein, 17% waren sich unsicher, 3% antworteten „ja, aber mit unter bestimmten Bedingungen“. 50% haben gesagt, dass sie ihre Wohnung an Binnenflüchtlinge vermieten würden, während 24% sagten, dass sie dies nicht tun würden.

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Der Artikel von RT behauptet auch, dass die Ukraine keines ihrer Versprechen erfüllt habe, Binnenflüchtlinge zu helfen. Trotz Abitur und Berufserfahrung würden ihnen Unterkunft und Arbeit verweigert werden.

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Dies ist offensichtlich nicht wahr, da eines der neusten Hilfsprogramme der Ukraine zur Unterstützung der Binnenflüchtlinge mit dem Namen „Erschwingliches Haus“ 50% Entschädigungen für einen Wohnungskauf erlaubt. Zusätzlich werden staatliche Darlehen in Höhe von 7% ermöglicht. Was die Beschäftigung angeht, zeigt der IOM-Bericht, dass 49% aller IDPs-Haushalte beschäftigt sind, 78% der Männer im Alter von 18 bis 59 Jahren sind angestellt, was immerhin 10% mehr als der ukrainische Durchschnitt sind.