Von: Golova, Tatiana: Postsowjetische Migranten in Deutschland und transnationale Social-Media-Öffentlichkeiten, (ZOiS Report 2 / 2018)


Zusammenfassung:
Das Projekt „Postsowjetische Migranten in Deutschland und transnationale Öffentlichkeiten auf Social Media“ geht der Frage nach, wie und inwiefern sich unter Beteiligung postsowjetischer Migrant*innen in Deutschland transnationale, russisch-deutsche Öffentlichkeiten mittels Social Media entwickeln. Für die Studie wurden Daten über eine Schnittstelle des größten russischen sozialen Netzwerks VKontakte erhoben. Analysiert wurde nicht das Nutzungsverhalten einzelner User, sondern Interaktionsdaten von Gruppen und öffentlichen Seiten (Public Pages): Immer wenn eine Gruppe den Inhalt einer weiteren Gruppe, öffentlichen Seite oder anderen Ressource teilt, wurde dies als Verbindung ausgewertet, aus der sich zum einen auf einen Informationsfluss und eine inhaltliche Nähe, zum anderen auf einen Einfluss schließen lässt. Anhand dieser sogenannten Reposts ergaben sich komplexe Netzwerke, die mithilfe einer Software analysiert und graphisch repräsentiert werden konnten.
Die wichtigsten Ergebnisse:
  • Existierende Nutzungsdaten demonstrieren eine hohe Popularität der beiden größten russischen Social-Networking-Sites, VKontakte und Odnoklassniki, in Deutschland.
  • Es gibt keine geschlossenen Ökosysteme „postsowjetisch-deutscher“ digitaler Communities. Stattdessen beziehen sich diese aktiv auf unterschiedliche Online-Ressourcen (individuelle wie kollektive Accounts) im russischsprachigen Raum, die auf Politik oder Unterhaltung ausgerichtet sind.Die Subnetzwerke „postsowjetisch-deutscher“ digitaler Communities bilden sich über direkte und indirekte Verbindungen einzelner Gruppen.
  • Sie lassen sich verschiedenen Typen zuordnen: deutschlandbezogene politische Gruppen der postsowjetischen Minderheit, darunter Rechtsradikale; deutsche Rechtsradikale; Gruppen postsowjetischer Migrant*innen, die sich auf lokale Vernetzung oder Entertainment fokussieren; pro-russische „Volksdiplomatie“; transnationale Beziehungen; Gruppen der Russlanddeutschen.
  • Sich im postsowjetischen Raum verortende politische Gruppen, darunter solche, die in der Ukraine-Krise die russische Staatsposition vertreten, üben inhaltlich Einfluss auf Gruppen im „deutschen“ Segment von VKontakte aus. Dies gilt nicht für das gesamte, fragmentierte Netzwerk, sondern für bestimmte politische und identitätsbezogene Subnetzwerke. Diese beziehen sich aktiv auf postsowjetische Ressourcen und stellen dadurch eine öffentliche und inhaltliche Nähe zu diesen her.
  • Gerade für solche Subnetzwerke lässt sich bei der jetzigen Erhebungstiefe ein hoher Vernetzungsgrad feststellen: In diesen Netzwerken beziehen sich Communities auf einander und teilen verstärkt Inhalt aus denselben Quellen.
  • Die deutschen, politischen Accounts auf VKontakte sind im rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Bereich oder alternativ in der Nähe bestimmter Akteur*innen der Partei Die Linke zu verorten. Die bisherige Netzwerkanalyse, besonders für den Zeitraum 2015 – 2018, hat ergeben, dass es Verbindungen zwischen „autochthon-rechten“ und „postsowjetisch-migrantischen“ politischen Subnetzwerken auf VKontakte gibt. Sie werden besonders durch Ressourcen hergestellt, die mit der pro-russischen „Volksdiplomatie“, der Unterstützung für Separatistenbewegungen in der Ostukraine, sowie mit einer xenophoben und/ oder antiamerikanischen Rhetorik zusammenhängen.

Die gesamte Studie kann auf der Seite des ZOiS als PDF hier herunter geladen werden.