Die Petition auf der Website des ukrainischen Präsidenten, in der die Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses mit Russland gefordert wird, spiegelt nicht die Stimmung der ukrainischen Bürger wider. Trotz einer gewissen Müdigkeit und ständiger Angriffe seitens der Russischen Föderation sind sich die Ukrainer einig, dass dem Aggressor keine Zugeständnisse gemacht werden dürfen. Laut einer KMIS-Umfrage, die zwischen dem 6. und 20. Juli durchgeführt wurde, sind 84 Prozent der Ukrainer nicht bereit, territoriale Zugeständnisse zur Beendigung des Krieges zu machen.
In letzter Zeit hat die russischen Pro-Kreml-Medien aktiv das Narrativ konstruiert, dass die UkrainerInnen angeblich des Krieges müde sind und ein schnelles Ende des Krieges – durch friedliche Verhandlungen – wollen, dass aber das ,,Kyjiwer Regime“ dagegen ist. In diesem Sinne verbreiteten russische Medien die Nachricht, dass die Ukrainer den ukrainischen Präsidenten bitten, sich so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch zu setzen, ,,um die Zahl der Todesopfer unter der ukrainischen Zivilbevölkerung nicht zu erhöhen“.
Die Medien des Kremls verweisen in ihren Veröffentlichungen auf eine Petition, die am 26. Juli auf der Website des ukrainischen Präsidenten veröffentlicht wurde und in der die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Russland und ein Friedensabkommen gefordert werden.
Diese Petition ist auf der E-Petition-Website des ukrainischen Präsidenten zu finden. In der Petition mit der Nummer 22/151386-ep ,,Nehmen Sie die Verhandlungen mit Russland wieder auf und schließen Sie ein Friedensabkommen, um die Zahl der zivilen Todesopfer nicht zu erhöhen„ heißt es: ,,Ich fordere Sie dringend auf, die Verhandlungen mit Russland wieder aufzunehmen und ein Friedensabkommen zu schließen, um die Zahl der zivilen Todesopfer in der Ukraine nicht zu erhöhen. Früher oder später werden Sie zu einer Einigung kommen, das ist jedem klar. Es ist besser, es jetzt zu tun, denn je länger wir kämpfen, desto mehr Ukrainer, unsere Kinder sterben…“.
Die Tageszeitung und Pro-Kreml-Medium Iswestija beschloss, über die tatsächliche Zahl der Unterzeichner der Petition zu lügen. Sie teilten mit, dass die Petition, die dazu auffordert, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, bereits von 30 Tausend Menschen unterzeichnet wurde – von den 25 Tausend, die erforderlich sind, damit der ukrainische Präsident sie berücksichtigt. Iswestija schrieb darüber am 26. Juli, als die Petition tatsächlich aber nur 96 Stimmen erhielt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hatte die Petition 435 Stimmen, was ebenfalls eindeutig zu wenig für eine Berücksichtigung ist.
Jeder Bürger kann eine solche Petition erstellen oder unterzeichnen. Die bloße Existenz einer solchen Petition spiegelt jedoch nicht die Stimmung in der Bevölkerung in Bezug auf die Friedensgespräche mit der Russischen Föderation wider.
In letzter Zeit hat die russische Seite aktiv ihren Wunsch nach Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig erklären Vertreter des Kremls regelmäßig, dass es für die Ukraine unmöglich ist, die Grenzen vor dem 24. Februar wiederzuerlangen. So erklärte der russische Außenminister Lawrow Ende Juni, dass Russland die während der groß angelegten Invasion eroberten Gebiete der Ukraine nicht zurückgeben werde. ,,Die Mehrheit der Bevölkerung (in den von Russland besetzten Gebieten – Anm. d. Red.) möchte nicht unter die Kontrolle der Neonazi-Behörden (oder der Behörden, die dem Neonazismus in jeder erdenklichen Weise frönen) zurückkehren“, sagte Lawrow.
Obwohl die Kreml-Propaganda ein Narrativ über die ,,Bereitschaft“ der Ukrainer konstruiert, zu allen Bedingungen an den Verhandlungstisch zu kommen, deuten aktuelle soziologische Untersuchungen aus der Ukraine auf das Gegenteil hin. Laut einer Umfrage des renomierten Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS), die zwischen dem 6. und 20. Juli durchgeführt wurde, sind 84 % der Ukrainer nicht zu territorialen Zugeständnissen zur Beendigung des Krieges bereit. Nur 10 % halten es für möglich, einige Gebiete aufzugeben, um Frieden zu schaffen und die Unabhängigkeit zu bewahren. Das KIIS verglich diese Daten auch mit einer identischen Umfrage, die im Mai 2022 durchgeführt wurde. ,,Im Vergleich zum Mai ist die öffentliche Stimmung praktisch unverändert“, heißt es in dem Bericht.
Darüber hinaus ist selbst unter den Bewohnern der Regionen, in denen derzeit heftige Kämpfe toben, eine absolute Mehrheit der Bevölkerung gegen jegliche territoriale Zugeständnisse: im Osten sind 77 % gegen Zugeständnisse und nur 16 % sind dazu bereit; im Süden sind 82 % gegen Zugeständnisse, nur 10 % sind dazu bereit. Das KIIS macht darauf aufmerksam, dass zwischen Mai und Juli mehr Menschen im Osten gegen jegliche Zugeständnisse waren – die Zahl stieg von 68% auf 77%.
,,Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Ukrainer trotz der zunehmenden Müdigkeit, der sich verschlechternden sozioökonomischen Lage, der schweren Kämpfe und der terroristischen Anschläge in der Frage einig sind, dass der Aggressor keine Zugeständnisse machen darf. Wenn das Ziel des Terrorbeschusses darin besteht, die Ukrainer zu verängstigen und den Frieden zu erzwingen, können wir einen weiteren russischen Fehlschlag und einen weiteren Beweis für ein völliges Missverständnis der ukrainischen Gesellschaft konstatieren“, heißt es in der KIIS-Pressemitteilung.
Zuvor hatte StopFake Fehlinformationen dementiert, wonach sich Saporischschja und Cherson angeblich auf ein Referendum über den Beitritt zu Russland vorbereiten und ,,internationale Kontakte“ knüpfen würden.