Russische Webseiten haben die Aussagen eines ukrainischen Militäroffizier aus dem Zusammenhang gerissen, der darauf hinwies, dass Regenwetter den Einsatz von gepanzerten MaxxPro-Fahrzeugen erschwert. Darüber hinaus stellt der Kämpfer, Rufname Finn, fest, dass seine ,,Marineeinheit kleine Fortschritte macht“ und sie alle ,,eine hohe Moral haben“. Militäranalysten neigen zu der Annahme, dass der ukrainische Hauptangriff noch nicht begonnen hat und dass die meisten der kürzlich gelieferten westlichen Waffen noch nicht zum Einsatz gekommen sind. Die im Netz verbreiteten Informationen entbehren also jeglicher Grundlage.

Russische Medien verbreiten unter Berufung auf eine Veröffentlichung im Wall Street Journal die Fehlinformation, Kyjiw rechtfertige seine Misserfolge an der Front mit der Ineffizienz westlicher Ausrüstung, die angeblich ,,nicht für die Ukraine, sondern für den Stadtkampf und die Wüste konzipiert“ sei. ,,Westliche Betreuer“, wie die russischen Webseiten die ukrainischen Partner nennen, beklagen ihrerseits angeblich die schlechten Leistungen der Ukrainer bei der Beherrschung der neuen Ausrüstung.

Collage – antifashist.com, t.me/ukraina_ru

Der Artikel im Wall Street Journal mit dem Titel ,,’A Wall of Steel‘: Ukrainian Troops Face Hard Slog in Offensive’s First Days erschien am 10. Juni 2023. Nirgends in dieser Veröffentlichung wird die Unwirksamkeit westlicher Ausrüstung oder die schlechte Leistung der Ukrainer bei der Beherrschung westlicher Waffen erwähnt – solche Schlussfolgerungen werden von der russischen Propaganda auf der Grundlage einiger aus dem Zusammenhang gerissener Aussagen eines ukrainischen Militäroffiziers gezogen.

Die Veröffentlichung des Wall Street Journal beginnt mit der Feststellung, dass es derzeit unklar ist, in welchem Stadium sich die ukrainische Gegenoffensive befindet, da die ukrainischen Behörden es vorziehen, die Entwicklungen an der Front nicht zu kommentieren. Militäranalysten neigen auch zu der Annahme, dass der Hauptangriff noch nicht begonnen hat und dass ein Großteil der kürzlich gelieferten westlichen Waffen noch nicht zum Einsatz gekommen ist.

Die Journalisten des Wall Street Journal, Ian Lovett, Marcus Walker und Nikita Nikolayenko, befragten mehrere ukrainische Soldaten, die derzeit in Saporischschja und Donezk kämpfen. Die Soldaten stellten fest, dass sie trotz der heftigen Kämpfe eine hohe Moral haben, was bei den russischen Soldaten nicht der Fall ist, die ihnen zufolge oft vom Schlachtfeld weglaufen.

Einer der Soldaten, Rufname Finn, stellt fest, dass die Wetterbedingungen den Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte teilweise verlangsamen. Insbesondere die gepanzerten MaxxPro-Fahrzeuge sind seiner Meinung nach nicht dafür geeignet, sich durch sumpfiges Gelände zu bewegen. ,,Sie wurden für den Kampf in der Stadt und in der Wüste entwickelt“, sagte er dem Wall Street Journal, ,,in unserer Realität kommen sie zwar durch, aber nur schwer.“ Der Offizier wies auch darauf hin, dass ein Problem darin bestehen könnte, dass einige Offiziere zu kurz ausgebildet sind und es ihnen an Kampferfahrung fehlt, denn in einer Stresssituation können solche Kämpfer desorientiert werden.

Diese Worte wurden von den kremlnahen Medien zu Propagandazwecken verwendet. Eine Kritik an westlicher Ausrüstung findet sich in Finns Worten jedoch nicht. Die Tatsache, dass das regnerische Wetter der letzten Wochen die Kämpfe auf beiden Seiten beeinflusst hat, wurde auch von westlichen Militäranalysten hervorgehoben. Darüber hinaus haben die Propagandisten Finns Äußerungen ignoriert, wonach seine Marineeinheit in der Nähe von Welyka Novosoliwka in der Region Donezk ,,kleine Fortschritte“ macht.

Diese Berichte passen in das Narrativ des Kremls der letzten Wochen über die angeblichen massiven Verluste westlicher Ausrüstung in der Ukraine seit Beginn der verstärkten Kämpfe. So hat die Propaganda bereits früher Informationen verbreitet, wonach angeblich nach erheblichen Verlusten an westlicher Hilfe besiegte Einheiten der ukrainischen Streitkräfte nach Wolhynien abgezogen werden. Weitere Einzelheiten finden Sie in dem Artikel ,,Fake: Leoparden und Bradley werden nach schweren Verlusten in die Region Wolhynien zurückgezogen“.

Die Propaganda-Behauptung, dass sich die Partner der Ukraine angeblich über die schlechten Leistungen der Ukrainer bei der Beherrschung der neuen Ausrüstung beschweren, ist eine reine Erfindung. In der Veröffentlichung des Wall Street Journal finden sich keine derartigen Informationen. Im Gegenteil: Westliche Ausbilder, die an der Ausbildung des ukrainischen Militärs teilgenommen haben, bescheinigten ihnen ,,hohe Motivation, Entschlossenheit und Lernwillen“. Zuvor hatte StopFake solche Fehlinformationen in dem Artikel ,,Fake: Ukrainisches Militär ’nicht fähig, auch nur ein primitives Niveau der militärischen Ausbildung zu erreichen‘ nach NATO-Standards – Bericht“ widerlegt.