RT Deutsch hat Anfang Oktober einen Artikel und ein Video veröffentlicht, welche den neuen Film „Donbas“ des ukrainischen Regisseurs Sergei Loznitsa heftig kritisiert. RT behauptet, dass die EU hiermit Kriegspropaganda unterstützte, den Film aber selber als „Anti-Kriegs-Film“ verkaufe. Der von RT veröffentlichte Artikel ist eine Meinungskolumne einer Journalistin aus Donezk, Frau Maria Janssen, die ihre Schlussfolgerungen und Thesen mit rhetorischen Fragen an Regisseur Loznitsa und mit einer Video-Befragung von Donbas-Bewohner untermauern will.
Die Video-Befragung sollte offensichtlich das Bild von Donbas, so wie er im Film von Loznitsa gezeigt wird, entlarven und zeigen, dass die Vorstellungen des Regisseurs [und von allen die der europäischen Filmförderer] über die bewaffneten Milizen der selbsternannten Luhansker und Donezker Republiken völlig falsch sind. RT wählt für solche „Aufklärungen“ aber nicht den Weg der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Argumente, sondern wählt eine einfach gehaltene Straßenumfrage auf den Straßen des gegenwärtig besetzten Donezk in der Ostukraine.
Zum Kontext der Straßenbefragung:
Als erstes: Wir begeben uns in die Lage zur Straßenbefragung: Nach der offenen Meinung über das aktuelle politische System in den besetzten ostukrainischen Gebieten zu fragen, die sich momentan unter der Kontrolle von selbsternannten Seperatisten befinden und wo keinerlei Rechtsstatt oder Justiz funktioniert, ist durchaus ähnlich, als ob man in Syrien oder in Nordkorea Fragen über die herrschende „Regierung“ fragen würde. Denn in solchen Kontexten überlegt man sich als Befragter sehr genau, was man den staatlichen Interviewer antwortet. Entweder spricht man sehr gut über die „aktuelle Regierung“ oder eben gar nicht. Andere anderslautende abweichende Antworten können für die Befragten traumatisch oder sogar tödlich enden. Mehrere ukrainische und auch deutsche Veröffentlichungen, wie Radio Liberty, Korrespondent, Glavred, TSN, Deutsche Welle, Die Welt, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bild haben zahlreich darüber berichtet, dass Separatisten im Donbas ihre Gegner regelmäßig foltern und ermorden. Demnach kann man hier annehmen, wie objektiv und wahr die Antworten von befragten Donbas-Bewohnern sind.
Der unbekannte RT-Interviewer stellt insgesamt sechs Fragen an acht Menschen an den Straßen von Donezk.
Die Fragen spielen dabei auf Filmszenen und Darstellungen aus Losnitzas Film Donbas an und sollen nur bei der Straßenumfrage beantwortet werden.
Frage 1: Stimmt es, dass „die Aufständischen“ sich selbst beschießen?
Alle vier Befragten antworten verneinend, obwohl ein Mann sich seiner nicht ganz sicher zu sein scheint. Er sagt: „Es herrscht Krieg. Ein heftiger Krieg. Ob sie vorsätzlich beschießen? Eher nicht. Vorsätzlich beschießen sie nicht“. Im Gegenteil dazu berichten mehrere Medien, dass die Separatisten sehr wohl ihre eigenen Gebiete beschießen und erklären auch, warum sie es tun. Darüber schweigen aber separatistische Medien in den selbsternannten „DNR/ LNR“ und beschuldigen die ukrainische Seite, die Angriffe begonnen zu haben.
Frage 2: Es herrscht die Meinung, dass die Volkswehr die Bevölkerung bestiehlt und sich auf deren Kosten bereichert.
Eine Frau sagt, dass dies „Unsinn“ sei, ohne ihre Behauptung aber näher zu argumentieren. Der andere Mann antwortet, dass „es hier im Grunde nichts zu holen gibt“. Es gibt und gab aber zahlreiche Tatsachen und Beweise, dass Separatisten in der Vergangenheit Eigentum von Menschen entwendet haben und ihnen mit Waffengewalt gedroht haben. Darüber haben solche Medien, wie die Deutsche Welle, und die ukrainischen Seite 24tv, Hromadske, Gordon.ua, Segodnya, Uainfo mehrmals berichtet. Die Publikationen beschreiben, dass die selbsternannte Regierung der „DNR/ LNR“ Banken und Büros in den Städte ausrauben, Wohnungen von Binnenflüchtlingen besetzen, Autos für sich und ihre Armee rauben. Zudem wird davon berichtet dass „Separatisten“ Pensionszahlungen von Rentner stehlen, die mit ihre Auszahlungen gerade aus den freien Gebieten der Ukraine zurück in die „Volksrepubliken“ fahren. Dies alles scheint für die befragten Donbas-Bewohner vor der Kamera aber scheinbar unbekannt zu sein.
Frage 3: Im separatistischen Widerstand befinden sich nur russische Bürger?
Alle Befragte antworten, dass in dem sogenannten separatistischen Widerstand Russen teilnehmen, aber sie erklären weiter – nicht nur Russen, sondern dass auch Einwohner des Donbas dabei sind. Diese Feststellung stand aber nie zur Frage. Wichtiger ist festzuhalten, dass die sogenannte Regierung der „DNR“ und „LNR“ nur auf Russlands Gnade hin existiert; diese von Russland ernannt, unterstützt, kontrolliert und oft totgekriegt wurde, wie es am 31. August mit dem „DNR“–Chef Alexander Sachartschenko passiert ist. Den Zweck der Frage, diese an die Bewohner von Donezk zu stellen, bleibt für den Beobachter unklar.
Frage 4: Zwingen die Widerstandskämpfer die Einwohner von Donezk, sich deren Reihen anzuschließen?
Vier befragten Personen haben auf dieser Frage verneinend geantwortet. Mehrere Beweise aus der Realität sprechen aber dagegen. Zum Beispiel, berichten FAZ und die ukrainische Nachrichtensendung TSN , dass Separatisten offenbar Arbeitslager betreiben und Tausende von Menschen zwingen, in Arbeitslagern im Donbas zu arbeiten, Der deutsche Spiegel berichtet zudem, dass Separatisten Zivilisten mit Zwangsarbeit bestrafen. Des weiteren berichtet RBC, dass Separatisten sehr wohl Gefangene dazu zwingen, sich den Militanten im Donbas anzuschließen, der ukrainische Fernsehkanal 24 behauptet, dass Separatisten Militärgefangene zwingt, die zerstörten Städte in der Ostukraine wiederaufzubauen. Laut der ukrainischen Zeitung Korrespondent zwingen Seperatisten Zivilisten, in der unmittelbaren Kampfzone zu arbeiten. Die genannten Veröffentlichungen sind nur eine Handvoll an Gewaltakten, die die bewaffneten Milizen der selbsternannten Luhansker und Donezker Republiken gegen die eigene Bevölkerung ausüben. Anscheinend hörten die Befragten in Donezk nichts darüber.
Frage 5: Stimmt es, dass die Donbas Bevölkerung Sympathie für die ukrainische Armee hegt und unter den sogenannten bewaffneten Milizen der selbsternannten Luhansker und Donezker Republiken leidet?
Zwei Frauen sagen, dass es ein Mythos ist, den die Ukraine selbst produziert. Der andere Mann erklärt: „Manche sympathisieren und wollen der Ukraine angehören. Manche wiederum ziehen Russland vor“, noch ein Befragter gibt sehr ähnliche Antwort. Das zeigt, dass die Situation in Donbas nicht so eindeutig ist, wie pro-Kreml Medien ständig berichten.
Frage 6: Stimmt es, dass „Separatisten“ grausame Unmenschen sind?
Es ist keine Überraschung mehr, dass alle Befragten verneinend antworten. Teilweise sprechen aber zahlreiche Tatsachen dagegen (siehe oben).
Außerdem, sollte man daran erinnern, dass die internationale MH17-Untersuchungskommission und die Open-Source-Plattform Bellingcat eindeutig geschlussfolgert haben, dass die BUK-Rakete, die MH17 über der Ostukraine 2014 abgeschossen hat, eindeutig aus dem Gebiet der pro-russischen Separatisten abschossen wurde. Laut der internationalen Untersuchungskommission stammte die Buk-Rakete zudem von der im westrussischen Kursk stationierten 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte.
Aber diese wichtigen Tatsachen fehlen offenbar in der Berichterstattung von RT Deutsch hier. Wobei eine Titelsendung des russischen Staatssenders trägt ja auch den Titel „Der fehlende Part.“ Vielleicht liegt in der gezielten Auslassung von Fakten dieser fehlende Part.