Die Pro-Kreml Webseite Lenta.ru veröffentliche eine Geschichte, in der behauptet wurde, dass ein Zustrom von Migranten aus der Ukraine nach Estland dazu führen könnte, dass Esten in ihrem eigenen Land zur Minderheit werden. Quasi: „Fremd im eigenen Land„.
Die Quelle für diese Prognose ist Martin Helme, der Vorsitzende der rechtsextremen Konservativen Volkspartei (EKRE), die bei den Wahlen im März gegen Immigranten Stimmung gemacht hat und mit diesem Programm 19 Sitze im estnischen Parlament gewann. Andere russische Medien nahmen die Geschichte schnell auf. Während die Ukrainer zahlenmäßig tatsächlich die Spitzenposition unter den Arbeitsmigranten in Estland einnehmen, sind die Zahlen faktisch relativ gering. Man kann deswegen nicht davon ausgehen, dass Esten bald selbst eine Minderheit im eigenen Land werden.
Estlands weit rechts stehende Forderungen behauptet beispielsweise es gebe etwa 20.000 ukrainische Arbeitsmigranten im Land. Das estnische Innenministerium dagegen stellt fest, dass es nicht mehr als 5.600 Ukrainer sind, die jährlich in Estland nach Arbeit suchen.
Im Jahr 2018 erhielten insgesamt 941 Ukrainer eine estnische Aufenthaltserlaubnis.
„Wir haben bereits 20.000 Ukrainer. Das ist die Einwanderungsbehörde. Wenn wir nichts tun, dann werden wir als Nation innerhalb weniger Jahre in unserer eigenen Heimat in der Minderheit sein“, sagte Martin Helme.
Helme ist mit rassistischen Äußerungen wie „Wenn es ein Schwarzer ist, zeig ihm die Tür“ und „Ich will, dass Estland ein weißes Land ist“ u.a. bekannt geworden.
Die Aussagen von Helme spiegeln seine persönlichen Ansichten und die Ansichten der Konservativen Volkspartei wider; sie spiegeln nicht die Position der estnischen Regierung wider. Darüber hinaus sind die Zahlen, auf die sich Helme bezieht ungenau.
Nach Angaben der Weltbank betrug die Einwohnerzahl Estlands im Jahr 2017 1.315.480. In letzter Zeit ist diese Zahl dank der Einwanderung gestiegen. Nach Angaben des estnischen Statistikamtes wuchs die Bevölkerung des Landes im Jahr 2018 um fast 5.000 Menschen. Neben der Einwanderung sind weitere Gründe für das Wachstum eine erhöhte Geburtenrate und eine längere Lebenserwartung.
Das estnische Statistikamt stellt fest, dass zwar fast die Hälfte der nach Estland ausgewanderten Personen Bürger Russlands, der Ukraine und Lettlands waren, dies jedoch nicht zu dem Schluss führt, dass die Esten bald eine Minderheit sein werden.
Nach offiziellen estnischen Daten lebten im Jahr 2018 23.310 Ukrainer in Estland. Dies entspricht 1,76% der die Gesamtbevölkerung des Landes.
Martin Helm erklärte nicht, warum der Zustrom von Ukrainern für ihn eine so schreckliche Aussicht ist, zumal die realen Zahlen viel kleiner sind als das, was er behauptet.
In einem Interview der Deutschen Welle mit Tim Sebastian über das Konfliktzonenprogramm im März wies Sebastian darauf hin, dass laut der estnischen Innenministerin Katri Raik die tatsächliche Zahl der Ukrainer, die 2018 nach Estland kamen, 5.600 beträgt.