Die russische Propaganda hat eine neue Quelle für Fälschungen gefunden, jetzt werden informelle Umfragen aus dem Messengerdienst Telegramm als aufschlussreiche Nachrichten präsentiert, die ein reales Bild der Ereignisse zeichnen sollen. Die kremltreue Website Ukraina.ru bat die Anhänger ihres Telegramm-Kanals um die Beantwortung einer Umfrage, in der es hieß: „Die Ukraine als Teil der UdSSR war … gut oder schlecht“. Insgesamt 92% antworteten mit „gut“ und Ukraina.ru schloss triumphierend ab: Knappe Abstimmung, aufschlussreiche Antwort.
Umfragen in sozialen Medien dienen als Click-Bait, sie können die Reichweite des Publikums erhöhen, das Engagement der Nutzer steigern, aber sie sind sicherlich weder eine legitime soziologische Umfrage noch eine Quelle seriöser Nachrichten.
Der Direktor des angesehenen Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie Volodymyr Paniotto sieht in solchen Online-Umfragen eine Bedrohung für die seriöse soziologische Forschung und eine solche, die die Menschen ernsthaft in die Irre führen kann. „Diese Umfragen sagen nichts aus, sie repräsentieren nicht einmal das Publikum der Website, die sie durchgeführt hat“, sagt Paniotto.
Ein Online-Ratgeber für Journalisten, der von der ukrainischen NGO Demokratischen Initiative, entwickelt wurde, wird Journalisten empfohlen, die folgenden Fragen zu stellen, wenn sie über Umfragen schreiben: Wie viele Personen wurden befragt? Wer hat die Umfrage durchgeführt? Wen repräsentiert die befragte Bevölkerungsgruppe? Wann wurde die Umfrage durchgeführt? Was ist ein gültiger Stichprobenfehler? Alles diese Puinkte beantwortet der Ukraina.ru-Artikel nicht.
Was die Ukraine und die UdSSR betrifft, so ist die Behauptung, dass das Leben in der UdSSR besser sei, eine beliebte russische Propagandaerzählung. In dieser Erzählung wird auch behauptet, dass die Ukraine ohne die Sowjetunion Position und Ansehen in der Welt verliert. StopFake hat in der Vergangenheit mehrere dieser Narrative widerlegt, insbesondere jene über das hohe Wohlstandsniveau in den Teilrepubliken unter sowjetischer Herrschaft und dass während der UdSSR Republiken in erster Linie auf Kosten Russlands versorgt wurden.
Im Dezember 2019 untersuchten Analysten des Think-Tanks für Friedenskonsolidierung SeeD, die die ukrainische Gesellschaft im Rahmen des SCORE-Projekts (Social Cohesion and reconciliation) untersuchte, auch den Grad der Sowjetnostalgie in der Ukraine. Auf einer 10-Punkte-Skala lag die Durchschnittsnote für die Ukraine bei 5,5.
Im Dezember 2017 fragte das Meinungsforschungsinstitut Rating die Ukrainer, ob sie den Zusammenbruch der Sowjetunion bedauerten. 55% sagten, sie bedauerten den Zusammenbruch nicht, 30% bedauerten ihn und 16% fanden es schwierig, diese Frage zu beantworten.
