Die Pro-Kreml Webseite Ukraina.ru veröffentlichte in dieser Woche einen Artikel, in dem behauptet wurde, dass die Nahrungsmittelpreise in der Ukraine auf das EU-Niveau angewachsen sind. Diese Behauptung ist auf einen Facebook-Post des ehemaligen ukrainischen Premierministers Mykola Azarov zurückzuführen. Azarov diente unter dem geflohenen ehemaligen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch. Azarovs Behauptung basiert selbst auf den Daten der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, die in einer anschaulichen, aber fragwürdigen Infografik präsentiert wurden.
Die Daten von RIA Novosti wurden nicht mit einer Quelle versehen, es ist deswegen nicht klar, woher die Agentur ihre Zahlen hat, die wie sie es sagt, die tatsächlichen Lebensmittelkosten in der Ukraine heute darstellen. RIA Novosti präsentiert nicht nur fragwürdige Daten, sondern kündigt noch an, dass laut Experten, Lebensmittel noch teurer werden würden. Die Experten werden dabei natürlich nicht genannt.
In seinem Facebook-Post behauptet Azarov, dass die Preise auf europäisches Niveau angestiegen seien, nachdem die Ukraine das EU-Assoziationsabkommen unterzeichnet und ihre Märkte für europäische Waren geöffnet habe. Pro-Kreml Medien ergriffen diese Behauptung von Azarov auf, um zu erklären, „wie die europäische Integration den Lebensmittelpreis in der Ukraine beeinflusst” und dass „das Kiewer Regime sicherstellen will, dass Lebensmittel in der Ukraine mehr kosten werden als in Europa“.
Federalnoye Agentstvo Novostey, Golos Pravdy, Ukrop, Informburo.dn.ua, Glavnovosti, DneprChas und andere Medien haben diese gefälschte Geschichte verbreitet.
Unsere Recherchen zeigen, dass RIA Novosti ihre Zahlen aus einem Artikel in der ukrainischen Zeitung Segodnya erhalten hat. Segodnya behauptet, dass ihre Quellen der Economic Discussion Club (ein von ehemaligen Ministern, Bankiers und Rohstoffhändlern organisierter ökonomischer Think Tank) und auch eigene Berechnungen basiert. Segodnya gibt nicht an, worauf ihre Berechnungen basieren. Segodnya behauptet, dass die Kosten für einen durchschnittlichen Warenkorb in der Ukraine, sich allmählich dem Preisniveau der Europäischen Union angleichen. Die EU-Länder, mit denen Segodnya die Preisen mit ukrainischen Nahrungsmittelpreisen verglichen hat sind Polen, Frankreich und Weißrussland.
Nach Angaben des staatlichen Statistikdienstes der Ukraine, einer Regierungsbehörde, die Wirtschafts- und Finanzdaten verfolgt, steigen die Lebensmittelpreise in der Ukraine zwar tatsächlich an, aber der Verbraucherpreisindex war für 2017 selbst niedriger als in 2015. Die Analyse des Economic Discussion Clubs zeigt auch, dass sich die Kosten des Warenkorbs im Laufe des Jahres ändern.
Segodnya vergleicht die ukrainischen Verbraucherpreise mit denen Polens, einem Land mit den EU-weit niedrigsten Lebensmittelpreisen in Europa. Wenn wir die durchschnittlichen Nahrungsmittelpreise für die Europäische Union bei 100 Prozent ansetzen, dann hätte diese Quote für Polen einen Wert von 63 Prozent. Die Angaben gehen von den Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat aus.
Numbeo, eine Website, die die Lebenshaltungskosten in verschiedenen Städten verfolgt, zeigt, dass im Februar 2018 die Lebensmittelpreise in den Krakauer Supermärkten durchschnittlich 56% höher als in Kiew waren. Bestimmte Grundnahrungsmittel, wie z.B. Milch, waren in Polen entweder preisgleich oder etwas billiger.
Eurostat-Daten zeigen, dass die Verbraucherpreise in allen europäischen Ländern steigen, nicht nur in der Ukraine. Es sei darauf hingewiesen, dass die Inflationsrate in den EU-Ländern im Jahr 2017 durchschnittlich 1,5 % betrug, während es in der Ukraine fast 14% waren. Offizielle ukrainische Daten zeigen, dass die Ukrainer im Jahr 2016 durchschnittlich fast die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel ausgegeben haben, während die Europäer laut Eurostat nur 12% ausgaben.
Nach dem Lebenshaltungskostenindex von Numbeo ist die Ukraine neben Moldawien, Mazedonien und Albanien das günstigste Land in Europa. Die Seite vergleicht auch die Preise für Lebensmittel in verschiedenen Städten der Welt und zeigt, dass die ukrainischen Preise im Durchschnitt noch einen langen Weg vor sich haben, bevor sie das europäische Niveau erreichen werden.