Das vorgestellte Video hat nichts mit den „betrunkenen Ukrainerinnen“ in Berlin zu tun. Das Video wurde bei einer Kunstaktion litauischer Künstler mit dem Titel „Frankreich in Trance“ gedreht, die am 22. April im Zentrum von Vilnius stattfand. Mit dieser Performance sollte die Aufmerksamkeit auf die schleppende Reaktion Westeuropas auf den Völkermord in der Ukraine gelenkt werden. Das Attribut dieser Aktion war ein rotes Getränk, das das während des Krieges in der Ukraine vergossene Blut symbolisiert.
In den sozialen Medien kursiert ein Video, in dem angeblich ukrainische Frauen zu sehen sind, die an Protesten gegen russische Kriegsverbrechen in der Ukraine teilgenommen haben und nach der Aktion im „Vollrausch“ tanzen. Nach Angaben der Nutzer spielt sich das Video in Berlin ab. Angeblich direkt nach einer Demonstration.
„Die Leichen, die in Berlin lagen, stehen auf. Vergewaltigte und ermordete Ukrainer im Vollrausch“, „Die ukrainische Tiere entspannen sich in Berlin aus…. Sie werden wohl in naher Zukunft wie im Donbas erschossen.“ – das sind die Untertitel, mit denen die Nutzer das Video in den sozialen Medien begleiten.
In dem kurzen 23-Sekunden langen Video sieht man junge Menschen tanzen, die überwiegend in schicker Abendkleidung gekleidet sind. Viele der Beteiligten werden mit einer Flüssigkeit übergossen, die Blut imitiert. Gleichzeitig trinken die jungen Leute ein rotes Getränk aus Gläsern und laufen mit Sektflaschen herum. Man sieht auch, dass sich Männer in dem Video bewusst provokativ verhalten und einen Zustand des Rausches darstellen. Eine erste Analyse des Videos ergab keine Hinweise darauf, dass es „betrunkene Ukrainer“ nach der Kundgebung in Berlin gab.
Eine weitere Suche nach ähnlichen Videos im Internet ergab, dass das fragliche Video in Vilnius während einer Aktion litauischer Künstler gedreht wurde, die eine „Blutparty“ darstellten. Die Aufführung fand am Abend des 22. April auf dem Sirvydas-Platz in der Nähe des französischen Kulturzentrums in der litauischen Hauptstadt Vilnius statt.
„Eine Gruppe von Künstlern veranstaltete eine Aktion – eine makabre Party – mit dem Titel ,Frankreich in Trance‘. Ziel war es, die Aufmerksamkeit auf die schleppende Reaktion Westeuropas auf den Völkermord in der Ukraine zu lenken. Der 24. April ist ein symbolischer Tag: Genau zwei Monate ist es her, dass Russland mit dem Völkermord in der Ukraine begonnen hat. Es ist auch der Tag der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen, bei der der amtierende Präsident Macron gegen die rechtsextreme Politikerin Le Pen antritt, die mit dem russischen Diktator Putin in Verbindung steht und im Falle eines Sieges versuchen wird, die ‚freundschaftlichen Beziehungen‘ zwischen der NATO und Russland wiederherzustellen“, schreibt das litauische Medium Made in Vilnius.
Nach Angaben von Made in Vilnius stammt die Idee für die „blutige“ Party von der litauischen Künstlerin Paula Bokullaitė. Sie betonte, dass die Ukraine derzeit im Alleingang für die Werte der gesamten demokratischen Welt kämpft und dafür mit ihrem eigenen Blut bezahlt. „Währenddessen sind viele derjenigen, die angeblich für diese Werte eintreten, besorgt durch die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage. Im Angesicht des Völkermordes. Am Vorabend der französischen Präsidentschaftswahlen ist eines der Hauptthemen der Debatte die Inflation und die sinkende Kaufkraft sowie die sinkende Lebensqualität der Franzosen. Ziel unserer Aktion ist es, einen sehr direkten Einblick in diese Argumente von außen zu geben“, sagte Bocculaite.
Die Publikation veröffentlicht auch Fotos von der Aktion „Frankreich in Trance“ ,auf denen man eindeutig dieselben Personen erkennen kann, die in dem viralen Video mit den angeblichen Ukrainern „im Vollrausch“ zu sehen sind. Hier sind nur einige von ihnen:
Neben dem roten Getränk, das das Blut symbolisiert, gehörte auch ein französisches Baguette zu der Aufführung. Fast während des gesamten Videos, in dem angeblich betrunkene Ukrainer in Berlin zu sehen sind, ist eine Demonstrantin zu sehen, die ein Baguette über ihren Kopf hält.
Viele Nutzer sozialer Medien veröffentlichen auch ähnliche Fotos und Videos von der Aktion im Zentrum von Vilnius. Narrative über „unangemessenes“ Verhalten der Ukrainer in Europa sind zu einem der wichtigsten Instrumente Russlands in seinem Informationskrieg gegen die Ukraine geworden. StopFake hat bereits wiederholt Fälschungen widerlegt, die Ukrainer in Misskredit bringen, wie z. B. „Manipulation: Ukrainische Flüchtlinge in Italien schlagen Enkelin des russischen Dichters Joseph Brodsky„, „Fake: Menge von Ukrainern schlägt ‚russischen Jungen‘ in Deutschland zu Tode“, „Fake: Mit Slogan ‚Für die Ukraine!‘ 6-jähriges russischsprachiges Kind in den Niederlanden verprügelt“.