Die russische Webseite Ukraina.ru hat einen Artikel veröffentlicht, in dem erklärt wird, dass die Lage des Russischen in der Ukraine, zurzeit die Schlechteste aller Zeiten sei. Die Quelle für diese Behauptung war ein Interview mit dem Direktor der Venedig-Kommission Thomas Markert, welches Markert der ukrainischen Internetzeitung Evropejska Pravda gab. Markert spricht darin über das neue Bildungsgesetz der Ukraine. In Bezug auf das Gesetz befinde sich die russische Sprache in einer verschlechterten Lage, so Markert. Markert spricht dabei aber explizit nicht über die gesamte Lage des Russischen in der Ukraine, so wie von Ukraina.ru berichtet wird, sondern bezieht sich nur auf das neue Bildungsgesetz.
Ukraina.ru hat demnach nicht nur mit einer ungenauen Schlagzeile gescherzt, sondern geht noch weiter, fälschlicherweise zu behaupten, dass von nun an „Schulunterricht nur noch auf Ukrainisch durchgeführt wird“ und dass die Ukraine verpflichtet sei, die Empfehlungen der Venedig-Kommission zum Sprachengesetz umzusetzen.
Die Venedig-Kommission ist ein beratendes Gremium des Europarates, das sich aus unabhängigen Verfassungsrechtsexperten zusammensetzt. Stellungnahmen der Kommission haben empfehlenden Charakter und sind per se nicht obligatorisch.
Die Webseiten Vzglyad, Antimaidan, Podrobnonews.ru, grominfo.eu und andere russische Seiten haben diese gefälschte Geschichte verbreitet.
Evropejska Pravda befragte Markert zu den Empfehlungen der Venedig-Kommission bezüglich des Gesetzes über Bildung und Unterrichtssprache. Darauf hin antwortet Markert, dass das neue Gesetz EU-Sprachen und Nicht-EU-Sprachen unterschiedlich behandelt und dass sich dadurch die Lage der russischen Sprache verschlechtert hat.
Laut dem staatlichen Statistikdienst der Ukraine, gibt es momentan 581 russische Schulen in der Ukraine, wobei 356.000 Schüler auf Russisch unterrichtet werden. Dies ist damit die größte Anzahl an Minderheitensprachschulen und Schülern in der Ukraine.
In einem Meinungsbeitrag über das neue Bildungsgesetz schreibt der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin, dass die russische Sprache in der Ukraine keiner Bedrohung ausgesetzt sei. Wie zu Zeiten der UdSSR ist die russische Sprache auf den Straßen großer Städte zu hören. Sie ist im ukrainischen Fernsehen allgegenwärtig und dominiert weiterhin in den Printmedien, betonte er. Die Bedenken der Venedig-Kommission bezüglich einer möglichen Diskriminierung des Russischen in der Schulausbildung könnte eine gewisse Motivation haben so Klimkin. Aber dieser Umstand beweise seiner Meinung nach nur, dass es für die internationale Staatengemeinschaft höchste Zeit sei, die komplexe Sprachsituation in der Ukraine zu verstehen. Diese Situation sei das Ergebnis von Jahrhunderten russischer Herrschaft in der Ukraine ist, so Klimkin.