Behauptung: Vor dem Hintergrund der Massenproteste, die nach dem manipulierten Präsidentschaftswahlen vom 9. August über Belarus hinweggefegt sind, begannen Fälschungen in sozialen Netzwerken zu kursieren, die angaben, EU-Länder seien in die Unruhen verwickelt. Vor allem polnische Politiker werden beschuldigt, einen Staatsstreich in Belarus zu organisieren und offen für Lukaschenkas Sturz einzutreten.
Bewertung: Die anhaltende Proteste in Belarus haben ihre Beweggründe nicht in Polen oder einem anderen EU-Land zu tun; sie sind eine Reaktion auf die manipulierten Präsidentschaftswahlen und eine Demonstration der Unzufriedenheit der Belarussen mit Lukaschenkos repressiver Politik seit 26 Jahren.
Falsche Berichte über Polen, die angeblich einen Staatsstreich in Belarus vorbereiten, erschienen, nachdem die Präsidenten Litauens und Polens eine Erklärung herausgegeben hatten, in der die belarussischen Behörden aufgefordert wurden, demokratische Standards zu respektieren und die Gewalt und Repressionen gegen friedliche Demonstranten zu beenden.
Am 10. August rief der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki zu einem EU-Dringlichkeitsgipfel auf.
„Die gestrige Nacht der Gewalt in ganz Weißrussland und die mögliche Eskalation des politischen Konflikts, die sich sehr wahrscheinlich daraus ergeben könnte, ist eine Krise, die nicht unbeantwortet bleiben darf. Die gestrigen Wahlen, ihre inoffiziell verkündeten widersprüchlichen Ergebnisse und die öffentliche Reaktion darauf sind ein klarer Beweis dafür, dass viele Belarussen Veränderungen wollen – dass sie Würde, Achtung der Menschenrechte, Demokratie, Redefreiheit und Rechtsstaatlichkeit wollen – und dass sie wollen, dass die Europäische Union in ihrem Leben präsent ist“,
schrieb Morawiecki an den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen.
Die EU reagierte auf Morawieckis Ersuchen und hatte für den 14. August eine Sonderkonferenz zur Erörterung der Lage in Belarus anberaumt.
Warschau hat auch seine Bereitschaft angekündigt, die Rolle des Vermittlers in den Verhandlungen zwischen Lukaschenko und der belarussischen Opposition zu übernehmen. Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte, Polen habe Erfahrung mit solchen Situationen und verwies auf die Verhandlungen zwischen der kommunistischen Regierung und der polnischen Opposition im Jahr 1989, die schließlich zur Wiederherstellung der Demokratie im Land führten. Polen habe keine Drohungen ausgesprochen oder versucht, einen Staatsstreich in Belarus zu organisieren, Warschau habe lediglich seine Hilfe bei der Lösung des Konflikts angeboten.
Die Proteste in Belarus dauern seit dem 9. August an. Um die Demonstranten zu zerstreuen, haben die Sicherheitskräfte massive Gewalt angewendet und dabei Gummigeschosse, Tränengas, Schlagstöcke, Elektroschocker und Wasserwerfer eingesetzt.
Am Wahltag wurde das Zentrum der belarussischen Hauptstadt Minsk von Sicherheitskräften blockiert, die Kommunikation und Internet wurden in der Stadt blockiert. Internationale Wahlbeobachter durften vorher nicht nach Belarus einreisen, der Zugang der Wähler zum Urnengang war eingeschränkt und unabhängige Journalisten und Aktivisten wurden während der Wahl massiv inhaftiert. Nach der Wahl tauchten immer mehr Beweise auf, dass die Wahl großflächig zu Gunsten Lukaschenkos manipuliert worden war.
Führende Politiker europäischer Länder wie die deutsche Grünen-Politikerin Viola von Cramon, die EU-Führung und die US-Administration haben Alexander Lukaschenko aufgefordert, die Gewalt gegen seine eigenen Bürger zu beenden und die tatsächlichen Ergebnisse der Wahl zu veröffentlichen.
Hinweise: Die Proteste dauern weiter an und Ereignisse ereignen sich stündlich. Deutschsprachige Nachrichten zu den Wahlen in Belarus können bei Stimmen aus Belarus und bei der Informationsstelle zu Wahlen in Belarus 2020 verfolgt werden.