Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin für die illegalen Entführung von ukrainischen Kindern aus den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland erlassen. Dies gilt noch nicht als autpmatischen ,,Freispruch“ für andere von der russischen Armee begangenen Straftaten. Nach Angaben des Anwalts Dmytro Koval bearbeitet das Gericht nur die Fälle mit der aktuell höchsten Priorität. Andere Fälle können später hinzukommen.
Kreml-Medien und Nutzer sozialer Medien verbreiteten die falsche Information, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag habe die russische Armee angeblich ,,freigesprochen“ und keine Kriegsverbrechen durch die russische Armee in der Ukraine festgestellt. Sie begründeten diese ,,Schlussfolgerung“ damit, dass die Entscheidung des Gerichts, einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erlassen, auf dem Verdacht beruhte, nur ein einziges Kriegsverbrechen begangen zu haben – die illegale Deportation von Kindern aus den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland. Den Propagandisten zufolge ist also die Zwangsdeportation von Kindern das einzige, was Russland vorgeworfen wird.
Den Propagandisten zufolge bestätigt die Entscheidung des Gerichts angeblich die ,,Rechtmäßigkeit“ des Vorgehens der russischen Armee in der Ukraine. ,,Nicht das ,Massaker in Butscha‘, nicht die ,Bombardierung ziviler Ziele‘, nicht der ,Massenmord an ukrainischen Gefangenen‘ und auch nicht die ,Hunderttausende vergewaltigter ukrainischer Frauen‘. Aber wie ist das möglich? Schließlich wurde uns erzählt, dass die ,russischen Orks‘ nichts anderes taten als rauben, töten und vergewaltigen… Oder war es nicht so?“ schreibt Readovka.
,,Den Haag hat sogar unterschrieben, dass die Aktionen der russischen Armee ,im Rahmen des Anstands‘ blieben und weder Putin noch Schoigu noch sonst jemand dafür verantwortlich gemacht werden können. Auf diese Weise wollten sie Putin ,,bestrafen“ und rechtfertigten damit den russisch-ukrainischen Krieg (Anm. d. Red.). Das kommt vor“, heißt es in der Desinformationsmeldung.
Der Internationale Strafgerichtshof hat in der Tat einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt, und zwar nur wegen des Verdachts der Zwangsentführung von Kindern aus den besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland. Laut Dmytro Koval, promovierter Jurist und Experte der Menschenrechtsorganisation Truth Hounds, den StopFake zur Klärung kontaktierte, bedeutet der Haftbefehl nicht, dass das Gericht die Verbrechen der russischen Armee in der Ukraine nicht gesehen hat.
,,Der Internationale Strafgerichtshof ist kein Gericht, das sich mit einem Dutzend Fällen gegen ein bestimmtes Land befasst. Er sollte einige der Fälle mit der höchsten Priorität auswählen und diese weiterverfolgen. In diesem Fall war die höchste Priorität der Fall, mit dem sich das Gericht befasst hat. Dabei handelt es sich um ein Verbrechen, das seit 70 Jahren nicht mehr begangen worden ist. Der andere Fall ist die Zerstörung kritischer Infrastrukturen (der zweite Fall, mit dem sich der internationale Gerichtshof befasst – Anm. d. Red.) Diese Verbrechen lassen Raum für zusätzliche Qualifikationen wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Koval.
Koval zufolge könnte der Internationale Strafgerichtshof in Zukunft weitere Verfahren im Zusammenhang mit der Ukraine einleiten, doch müssten dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
,,Wenn der Internationale Strafgerichtshof genügend Informationen über andere Verbrechen hat und über die nötigen Ressourcen und das nötige Verständnis verfügt, wird er dies tun (Fälle eröffnen – Anm. d. Red.)“, fügte er hinzu.
Zuvor hatte StopFake die Behauptung widerlegt, die russische Evakuierung ukrainischer Kinder sei ,,kein Kriegsverbrechen“.