Russland ist nicht schuldig, die Investigativ-Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja ermordet zu haben. Politkowskaja war eine lautstarke Kritikerin des russischen Krieges in Tschetschenien und des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die russischen Webseiten Life, Rambler, REN TV, RIA Novosti und andere Webseiten verbreiteten die Behauptungen des russischen Justizministeriums, wonach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angeblich zu dem Schluss kam, dass die russische Führung nicht an der Ermordung von Politkowskaja im Jahr 2006 beteiligt war.
Nach Angaben des russischen Justizministeriums entschied am 17. Juli 2018 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall Mazepa gegen die Russische Föderation. Mazepa war der Geburtsname von Politkowskaja und der Fall wurde von den Verwandten von Politkowskaja eingereicht. Laut dem russischen Justizministerium stimmte das Gericht nicht mit dem Argument der Klägerin überein, wonach die Russische Föderation für den Tod von Politkowskaja verantwortlich sei.
Das russischen Justizministerium behauptet weiter auch, dass das EGMR die russische Untersuchung am Mordes an Politkowskaja für kompetent befand. Inzwischen Russlands äußerte sich auch die konservative pro-orthodoxe Webseite Tsargrad empört, dass das Gericht das “unschuldiges Russland” zu 20.000 Euro Entschädigung an die Familie Politkowskaja verpflichtet habe.
Was hatte das EGMR aber tatsächlich entschieden?
Die Behauptungen des russischen Justiz-Ministeriums und die Geschichten, die sich aus diesen Behauptungen ergeben, sind komplette Desinformationen. Tatsächlich hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Untersuchungen Russlands zum Mord an Politkowskaja heftig kritisiert. Das Gericht entschied, dass Russland: „es versäumt hatte, angemessene Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Person oder Personen zu finden, die den Mord in Auftrag gegeben hatten” und habe damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat.
„Eine Untersuchung einer solchen Tötung könnte nicht als angemessen angesehen werden, wenn keine Anstrengungen unternommen worden wären, um die Person zu identifizieren, die das Verbrechen in Auftrag gegeben und dafür bezahlt hat”, gab das Gericht in seinem Urteil an.
Die Richter am Gericht entschieden, dass russische Ermittler die Möglichkeiten hätten ausloten sollen, dass der Mord von „Agenten des russischen Geheimdienstes FSB oder der Verwaltung der Tschetschenischen Republik” angeordnet wurde.
Nach Angaben der Verwandten und Kollegen von Anna Politkowskaja wurde sie zwei Stunden, bevor sie eine Geschichte über Folter in Tschetschenien vorlegen sollte, erschossen. Zwei Tage vor ihrem Mord erzählte Politkowskaja Radio Free Europe/Radio Liberty, dass sie die Geschichte schrieb und viele Beweise einschließlich Fotos hätte.
Politkowskaja war eine offene Kritikerin der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, schrieb offen über Russlands Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und die repressive Politik von Ramsan Kadyrow. Sie wurde an Putins Geburtstag getötet.
Politkowskaja reiste wiederholt nach Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien. Im Oktober 2002 nahm sie an den Verhandlungen mit tschetschenischen Terroristen teil, die rund 700 Moskauer Theaterbesucher als Geiseln genommen hatten.