Russische und kremlnahen Medien wie Gazeta.RU, Kommersant, RBC, Fontanka.RU, RIA Novosti, Lenta.ru, Free Press, Interfax und andere verbreiteten die Nachricht, dass ein Kind angeblich infolge eines ukrainischen Drohnenangriffs in dem nicht von Kyjiw kontrollierten Teil des Donbas gestorben sei. In diesen Berichten bezieht sich die Artikel auf die „Volkspolizei“ der sogenannten „Donezker Volksrepublik“, die am 3. April eine ähnliche Erklärung abgab.

Screenshot – kommersant.ru
Screenshot – gazeta.ru
Screenshot – rbc.ru
Screenshot – fontanka.ru
Screenshot – ria.ru
Screenshot – lenta.ru
Screenshot – svpressa.ru
Screenshot – interfax.ru

Behauptung:

„Militärs der 59. Brigade der ukrainischen Armee haben, dem illegalen Befehl ihres Anführers Schapowalow folgend, eine unbemannte Drohne eingesetzt, das mit einem improvisierten Sprengsatz ausgestattet war. Als Ziel für einen Terrorakt haben die ukrainischen Militärs ein Wohngebiet der Siedlung Oleksandrivske gewählt, wo sie einen Sprengsatz in der Nähe eines Hauses abwarfen, berichtet die Website der Volkspolizei. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich zwei Zivilisten im Hof … ein 2016 geborenes Kind wurde getötet, und ein Anwohner erhielt Wunden unterschiedlichen Schweregrades“, schreiben die Medien.

Einige Gruppen im sozialen Netzwerk Vkontakte veröffentlichten auch ein Foto, das angeblich das getötete Kind zeigen soll.

Screenshot – vk.com

Der Sprecher der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, ging sogar noch weiter und sagte, dass die Führung der Ukraine für den Tod des Kindes verantwortlich gemacht werden sollte.

„Ein fünfjähriger Junge ist heute gestorben. Und der Präsident des Landes, der den Befehl dazu gab, hat seiner Familie nicht einmal sein Beileid ausgesprochen und nicht versprochen, das Geschehene zu untersuchen. Ich halte es für notwendig, dass die OSZE-Vertretung und die PACE, wo sie sich gerne lautstark äußern, dies anprangern und Erklärungen von der ukrainischen Führung verlangen.“

Screenshot – interfax.ru

Fakten-Check und Bewertung [Mit Ergänzungen vom 7.4.21 am Ende des Artikels]:

Ist das Kind wirklich gestorben?

Weder die „Volkspolizei“ noch die russischen Medien liefern Details über das Geschehen: Es gibt keine Kommentare von Angehörigen, keine Fotos vom Tatort, keinen Namen des ermordeten Kindes. Das Einzige, was der Vertreter der so genannten „DNR“ beim Briefing am 3. April sagte, war, dass das Kind an der Adresse 36, Druscha (2.) Doroschna Str. in der Siedlung Oleksandrivske starb.

StopFake kontaktierte den Pressedienst der Ukrainischen Armee und fragte, ob sie über das tote Kind informiert wurden. Der Dienst teilte uns mit, dass sie Berichte aus den russischen und kremlnahen Medien gesehen hätten, aber keine Informationen hätten, um diese zu bestätigen. Mit Stand vom 4. April wurde der Tod des Kindes nicht im letzten Bericht der OSZE-Sonderbeobachtungsmission vom 3. April erwähnt.

Benutzer sozialer Netzwerke schreiben über den Tod des Kindes. In Vkontakte, in der Gruppe „DNR Armee. Tipps für Freiwillige“ hat der Benutzer „Victoria Oleksandrivna“ einen Screenshot des Kommentars von „Valentyna Iskrytska“ unter der Nachricht über den Tod des Kindes hinterlassen. Darin behauptet der erwähnte Benutzer, dass das Kind wirklich gestorben ist, aber nicht als Folge eines Drohnenangriffs.

Ja, es ist gestern passiert, aber nicht wegen einer Drohne. Ich bin aus diesem Dorf. Der Besitzer hatte eine Mine, und sein Enkel hat sie in der Garage gefunden. Ich verstehe nicht, warum die Menschen belogen werden. Mein Beileid“, schrieb sie.

Screenshot – vk.com

StopFake hat versucht, diese Version zu verifizieren. Wir haben Versuche unternommen, Valentyna Iskrytska zu kontaktieren, haben aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine Antwort von ihr erhalten. Wir fanden Kontakte einer Person, die früher in Oleksandrivske lebte und dort noch Verwandte und Bekannte hat. Oleksandr (der Name wurde auf Wunsch des Mannes wegen der drohenden Verfolgung seiner Familie geändert – Anm. d. Red.) bestätigte die Version, dass der Tod des Kindes die Folge eines Unfalls war.

„Sie sagen, der Mann brachte alle Arten von Müll nach Hause – Munition. Einer der explosiven Gegenstände war in seinem Haus und detonierte. Wie mir meine Freunde erzählten, gab es kein ,pfeifendes‘ Geräusch: Normalerweise, wenn eine Granate fliegt, ,pfeift‘ sie. Und dieses Mal gab es nichts, nur eine Explosion – und das Kind wurde getötet“, sagte er.

„Ukrainische Drohne“

Diese Version des Unfalls klingt aufgrund der geografischen Lage der Siedlung Oleksandrivske noch überzeugender. Laut dem militärischen und politischen Beobachter Oleksandr Kovalenko beträgt die Entfernung von Oleksandrivske zu dem von Kyjiw kontrollierten Gebiet etwa 30 Kilometer, und eine Militärdrohne der Streitkräfte der Ukraine wird einfach nicht in der Lage sein, den ganzen Weg dorthin zu fliegen.

„Das alles liegt daran, dass das Dorf Oleksandrivske, in dem sich der tragische Vorfall ereignete, im tiefsten Hinterland der Okkupanten liegt und eine Drohne der Streitkräfte dort einfach nicht fliegen kann“, schrieb er auf Facebook und fügte die entsprechenden Screenshots hinzu.

Screenshot – fb.com
Screenshot – fb.com

Auch der Pressedienst der ukrainischen Armee bestätigte gegenüber StopFake, dass ihre Drohnen nicht in der Lage sind, eine solche Distanz mit Munition zurückzulegen und verweist auf den Fake-Charakter solcher Nachrichten.

„Sie müssten sich auf etwas in ihren Quellen beziehen. Einige Zeugenaussagen, der Name des Kindes. Wir haben auch gelesen, dass eine ältere Frau verletzt wurde, aber es gibt keine Kommentare von ihr. Das ist nur eine weitere Fälschung“, gab der Pressedienst an.

Es ist anzumerken, dass einige Medien darauf hinwiesen, dass der Vorfall im Dorf Oleksandrivka stattfand, das in der Nähe der Kontaktlinie liegt. Die Vertreter der sogenannten „DNR“ meinten jedoch speziell Oleksandrivske. Das beweist ein Screenshot aus dem Briefing, auf dem „Oleksandrivske“ zu sehen ist, und auch die Karte stimmt mit dieser Siedlung überein.

Screenshot – youtube.com
Screenshot – google.com/maps

Das Foto des Kindes

Das in sozialen Netzwerken veröffentlichte Foto hat nichts mit dem Vorfall zu tun.

Screenshot – vk.com

Mit Hilfe der Google-Bildersuche konnte festgestellt werden, dass dieses Foto 2014 aktiv veröffentlicht wurde. So behauptete die kremlnahe „Komsomolskaja Prawda“ in der Ukraine, das Foto zeige den fünfjährigen Iwan Jermilow, der in der Nähe von Luhansk gestorben sei.

Screenshot – kp.ru

Sein Tod wurde auch von BBC Ukraine unter Berufung auf den Pressedienst der Donezker Eisenbahn gemeldet, allerdings ohne sein Foto. Einige Gruppen korrigierten diese Information später.

*Redaktionelle Ergänzung vom 7.4.2021 mit Bericht der OSZE:

Am 6. April bestätigte die OSZE-Sonderbeobachtungsmission [SMM] in der Ukraine den Tod des Kindes. Das Kind starb den Angaben der Beobachter zufolge aufgrund von Explosionsverletzungen und Schrapnellverletzungen“. Es gibt im OSZE-Bericht keine Informationen oder Angabe, dass das Kind infolge eines Angriffs durch eine ukrainische Drohne starb. Zudem berufen die OSZE-Beobachter sich in ihrem Bericht auf 2 Telefonanrufe und keiner Vor-Ort-Besichtigung des Tatorts.

Außerdem heißt es in dem OSZE-Bericht, dass das „nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierteOleksandrivske etwa 14 Kilometer von der Kontaktlinie entfernt liegt, während der Militärexperte Oleksandr Kovalenko seine Berechnungen vorlegte und eine Entfernung von 27 Kilometern angab.

Am 4. April veröffentlichte das kremlnahe und auf der Krim-ansässige Medium News Front den Namen des Verstorbenen und zeigte auch sein Foto. Auch der Pro-Kreml-Sender RT Deutsch spricht von einem ukrainischen Drohnenangriff ohne aber Beweise für die Behauptung vorzulegen und veröffentlichte auf Twitter, FB Videos von der Beerdigung des Verstorbenen.