Die russische Website Ukraina.ru veröffentlichte in dieser Woche eine Geschichte, wonach das politische Kiew einen Kompromiss mit den Separatisten eingehen müsse. Als Quelle gibt Ukraina.ru dabei einen aktuellen Artikel der Deutsche Welle an.
Ukraina.ru behauptet in seinem Artikel, dass die Hauptschuld für den andauernden Krieg im Donbas im politischen Kiew liegen würde. Wäre Kiew bereits früher einen Schritt auf den Donbas zugegangen, wäre der Krieg bereits vor langer Zeit beendet, so der Grundtenor von Ukraina.ru Allein Kiew trage mit Kriegsrhetorik zur Eskalation bei.
Der Artikel von Ukraine.ru ist ein sehr gutes Beispiel für manipulatives Framing, für das gezielte Weglassen von Informationen in der Berichterstattung. Schauen wir uns beide Quellen kurz im Vergleich an.
Zuerst: Die Deutsche-Welle Quelle ist kein offizieller Artikel, sondern ein Kommentar des Kiewer DW-Autoren Christian F. Trippe mit dem Titel „Kommentar: Ukraine-Konflikt – Eine Geste der Versöhnung aus Kiew wäre kein Verzicht“. Es handelt sich also nicht um die Meinung von DW, sondern um einen persönlichen Kommentar eines Korrespondenten. Anders als im Ukraina.ru-Artikel geht der Autor in seinem Kommentar auf alle Konfliktparteien des Krieges ein. Das Original des DW-Kommentar hat einen gänzlich anderen Charakter als die verbreitete Meldung von Ukraina.ru.
Ukraina.ru verwendet in seinem Artikel nämlich nur die Passagen, die sich sehr kritisch mit dem politischen Kiew auseinander setzten. Die Stellen des DW-Kommentars, die sich auch kritisch mit der Rolle Russland auseinandersetzen, verschweigt Ukraina.ru. Ukraina.ru gibt nur sehr selektiv den antikukrainischen Inhalt des Kommentars wieder. Es entsteht der Eindruck, dass bei Ukraina.ru mit Absicht nur die antiukrainischen Passagen verwendet wurden um den Inhalt des DW-Kommentars absichtlich zu verfälschen.
Ukraina.ru ignoriert der gesamte Zusammenhang des Artikels, der sich eher als kritischer Ratgeber an das politische Kiew wendet und der Artikel verwendet nur die Zitate die sich gegen die Ukraine und gegen die politische Führung in Kiew richten. Ukraina.ru reißt dabei folgendes Zitat dabei aus dem Zusammenhang: „Eine Umfrage hat jetzt gezeigt: Sieben von zehn Ukrainern wollen einen Kompromiss, irgendeine Form von Ausgleich – wenn dadurch nur endlich das Schießen und Sterben im Osten des Landes aufhört. Doch die Politik in Kiew zeigt sich nicht in der Lage, einen solchen Kompromiss anzubieten. Stattdessen baut das ukrainische Parlament patriotische Luftschlösser und berät ein Gesetz über die Wiedereingliederung des Donbas. Wer sich in der Öffentlichkeit mit unorthodoxen Vorschlägen hervorwagt, wird als Vaterlandsverräter und Verzichtspolitiker gebrandmarkt.“ Diese Aussage wird als Hauptbeleg und Hauptstoßrichtung von Ukraina.ru eingeschlagen.
Im Kommentar von Herrn Trippe Kommentator findet sich auch folgende Aussage: „Ohne Russlands militärische Unterstützung der Separatisten wäre der Krieg längst vorbei.“ Diese Russland-kritische Passage wird dabei von Ukraina.Ru komplett ausgelassen und nicht erwähnt.
Eine vom DW-Kommentator kritisierte Äußerung des ukrainischen Kulturministers, möchten wir allerdings auch in Kontext setzten. Herr Trippe schreibt: „So hat der Kulturminister der Kiewer Regierung vor nicht allzu langer Zeit über die angeblich unzureichende genetische Ausstattung der Donbass-Bewohner räsoniert. Der Mann ist immer noch im Amt. Die Herzen und Hirne seiner Landsleute im Osten gewinnt er so ganz sicher nicht.“
Der Kulturminister Yevhen Nyshchuk hatte tatsächlich ähnlich klingende Äußerungen in einer ukrainischen Talkshow getätigt. Er hat sich für diese Äußerungen aber später umfassend entschuldigt und seine Wortwahl öffentlich revidiert und bei der Bevölkerung um Nachsicht gebeten. Man kann also nicht diese Äußerung als Kritikpunkt gegenüber der Regierung anbringen, wenn man nicht auch seinen öffentlichen Widerruf mit in Betracht zieht. Stana.ua berichtete unter anderem über die öffentliche Entschuldigung von Nyshchuk.
Zusätzlich sieht der DW-Kommentator die Ukraine, im andauernden Krieg, moralisch im Recht, wenn er am Ende des Artikels formuliert: „Doch kleine Gesten mit konkreten Versöhnungsangeboten könnten politisch einige Wirkung entfalten – in der Ostukraine, wie bei den Vermittlern und sogar in Russland, das ja vorgibt beides zu sein: Vermittler und Schutzmacht der Russischsprachigen. Und das bis heute leugnet, dass es kriegführende Partei ist. Wer – zu Recht – fordert, dass Russland sich endlich ehrlich macht, der kann auch getrost den ersten Schritt wagen. Eben weil er im Recht ist.“
Wir halten fest, dass der Kommentator die Kriegsführung Russlands konstatiert und eine Hauptverantwortung auf Seiten der russischen Föderation und keineswegs die Hauptschuld im politischen Kiew sieht.