Von EU vs Disinfo
Die Ukraine erlebte die Auswirkungen des russischen Hybridkriegs und der pro-Kreml Desinformation früher als die meisten anderen Staaten. Der Kreml nutzt die Ukraine seit langem als Testgebiet für seine (Des-)Informations- und Hybridoperationen und verfeinert Techniken, die er später in Europa und den USA anwendet. Die Wahlinterventionsversuche bilden da keine Ausnahme.
2019 werden die ukrainischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden, auch unter dem Einfluss der konventionellen und hybriden Aggressionen von russischer Seite. So ist die laufende Desinformationskampagne vor der ukrainischen Wahl sowohl ein Versuch, sich in die Demokratie der Ukraine einzumischen, als auch eine Ausweitung des hybriden Krieges gegen die ukrainische Souveränität. Es ist ein klares Beispiel für alle Europäer, dass die Versuche Russlands, sich in die Wahlen einzumischen, nicht losgelöst von den langfristigen geopolitischen Strategien und bösartigen Aktivitäten des Kremls über seine Grenzen hinaus gesehen werden können.
Negative Nachrichten über die Wahlen in der Ukraine sind in den russischen staatlichen Medien allgegenwärtig, wobei ein eklatanter Schwerpunkt darauf liegt, die Legitimität des Wahlprozesses und seiner Ergebnisse zu untergraben. Es ist eine Gelegenheit für den Kreml, den geopolitischen Kurs der Ukraine zu verunglimpfen, die russische Politik gegenüber der Ukraine in den Augen der russischen Bürger zu rechtfertigen und das internationale Image der Ukraine in der Hoffnung auf eine Schwächung der westlichen Unterstützung zu trüben.
Entscheidend ist, dass eine solche Berichterstattung auch größere Erzählungen verbreitet, die sich sowohl an russische als auch an ausländische Zielgruppen richten; nämlich dass Russland von Feinden umgeben ist, dass eine Volksabstimmung bedeutungslos ist und dass politische Veränderungen nur zum Scheitern verurteilt werden können.
Die Ukraine ist das bei weitem am meisten verzerrend dargestelle Land in den russischen Medien. Von den über 5000 Desinformationsfällen, die seit 2015 in der EUvsDisinfo-Datenbank registriert wurden, ist fast die Hälfte auf die Ukraine ausgerichtet.
Die meisten dieser Fälle entsprechen etablierten Narrativen, die die Staatlichkeit der Ukraine verunglimpfen („Die Ukraine ist kein echter Staat und muss zerfallen); ihre Errungenschaften („Die Ukrainer sind so hungrig, sie stehlen Brot von Tauben„); ihre Demokratie („Die Ukraine wird von einem faschistischen Regime regiert„); ihre Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft („Die Ukraine wird aufgegeben, der „Westen ist der Ukraine müde„); und die den Antagonismus gegenüber der Ukraine schüren („Die Ukraine ist russophob„, verletzt Minsk-agreements”, und organisiert „Provokationen gegen Russland“).
Im Vorfeld der ukrainischen Wahlen 2019 zeigen diese etablierten Desinformationsnarrative keine Anzeichen für ein Nachlassen. Vielmehr passen die pro-Kreml Medien sie an die Wahlperiode an, um den Präsidentschaftskandidaten, dem Wahlverfahren, dem Ergebnis und dem Zweck der Wahlen selbst maximalen Schaden zuzufügen.
„Opfer von westlicher Manipulation”
Für die pro-Kreml Desinformation war die Leugnung der ukrainischen Staatlichkeit und Souveränität ausschlaggebend für die Verunglimpfung und Untergrabung der Maidan-Proteste sowie für die Rechtfertigung der Annexion der Krim und der militärischen Aggression in der Ostukraine.
Im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen werden diese Botschaften neu aufgewärmt, um den Mythos zu verbreiten, dass das Ergebnis der Volksabstimmung außerhalb der Grenzen der Ukraine bestimmt wird. Ukrainische Präsidentschaftskandidaten wurden als Washingtoner Marionetten bezeichnet; Großbritannien und die USA wurden beschuldigt, sich in die Wahlen einzumischen.
Dieses Narrativ wird durch Desinformationen über den Wahlkampf und den Prozess selbst noch verstärkt. Die Entscheidung der ukrainischen Behörden, russischen Bürgern weder die Wahlbeobachtung noch die Eröffnung von Umfragen in den besetzten Gebieten zu gestatten, wird als Grund angeführt, um die Legitimität des Wahlergebnisses im Voraus zu leugnen. In diesem Zusammenhang verdient die Warnung des US Institute of Peace – dass den diesjährigen Wahlen wahrscheinlich Proteste folgen werden – besondere Aufmerksamkeit.
Neben der Desinformation werden auch Spott und Verharmlosung verwendet, um die ukrainischen Wahlen weiter zu verunglimpfen und zu verspotten. Das russische Staatsfernsehen hat den Wahlprozess mit einem „Karneval“ verglichen, behauptete, dass ein mittlerer Angestellter des US-Außenministeriums der de-facto-Präsident der Ukraine sei und dass das Land nach den Wahlen zu einer Bananenrepublik werden werde, da dann seine westlichen Sponsoren frei regieren könnten.
Zusammengenommen tragen diese Erzählungen dazu bei, die pro-Kreml-Narrative aufrechtzuerhalten, dass, egal wie die Ukrainer abstimmen, ihre demokratische Wahl ohne jeden Sinn ist.
Ukraine: „Meister der Provokation”
Andere der Provokation zu beschuldigen, ist ein Trick, der von der pro-Kreml Desinformation häufig benutzt wird, um die Schuld zu verlagern und ihre eigenen bösartigen Aktivitäten zu tarnen.
In den letzten fünf Jahren wurde die Ukraine immer wieder als Provokateur Russlands und damit als Verfechterin des Konflikts in Donbas dargestellt. In jüngster Zeit wurden jedoch ukrainische „Provokationen“ als Versuche des amtierenden Präsidenten dargestellt, die Wahlen zu stören und seine Umfrageergebnisse zu erhöhen.
Nach Angaben der pro-Kreml Desinformation sind die Autokephalie der ukrainischen Kirche und der Vorfall auf dem Asowschen Meer alles Tricks vor der Wahl, während bei der Krim und wieder in der Straße von Kertsch neue Provokationen stattfinden. Neben der Stärkung des Images der Ukraine als Angreifer wirken solche Erzählungen auch darauf hin, einen Schlüsselmythos zu festigen, der sich an das heimische russische Publikum richtet – nämlich, dass Russland von Feinden umzingelt ist
Ein gesonderter Teil dieser Art von Desinformationsinhalten richtet sich an das internationale Publikum, um die Ukraine als chaotischen Ort darzustellen, der von innenpolitischen Unruhen heimgesucht wird, seine Bevölkerung verzweifelt und seine Behörden unzuverlässig und kriegslüstern sind – alles in dem Versuch, das internationale Image der Ukraine zu trüben und die westliche Unterstützung für sie zu schwächen
„Politischer Wandel ist ein Fail”
Seit den Euromaidan-Protesten im Jahr 2014 hat eine Reihe von pro-Kreml Desinformationen versucht zu zeigen, dass der Euromaidan nur Nachteile für die Ukraine gebracht hat. Zu diesem Zweck wurde uns gesagt, dass fast ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung das Land wegen seines Pro-NATO-Kurses verlassen hat, dass die Wirtschaft der Ukraine zusammenbricht und dass es keine Meinungsfreiheit gibt, und vor allem, dass sich Europa nach einem Putsch nicht mehr für die Ukraine interessiert.
Während sich diese Desinformationsbotschaften nicht direkt auf Wahlen beziehen, verewigen sie eine verzerrte Weltanschauung, die das Denken der Menschen über die Bedeutung und Möglichkeiten des politischen Wandels prägt. Im Zusammenhang mit Wahlen können solche Desinformationen sowohl die Beteiligung der Wähler als auch ihre politische Wahl direkt beeinflussen. Laut ukrainischen Forschern von StopFake tauchen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen genau diese Desinformationsnarrative am häufigsten im ukrainischen Medienbereich auf.
Gleichzeitig tragen diese Botschaften dazu bei, das russische Publikum abzuschrecken, das sich ähnliche Veränderungen in seinem eigenen Land oder in anderen Nachbarstaaten wünscht, die sich von der Ukraine inspirieren lassen könnten.
Ukrainische Antworten
Als Hauptziel der pro-Kreml-Desinformation zeichnet sich die Ukraine auch als Beispiel für soziale Widerstandskraft aus. Die ukrainische Zivilgesellschaft hat eine wichtige Säule im Widerstand gegen Desinformation gebildet. Besuchen Sie nichtstaatliche Plattformen wie EuroMaidan Press, Ukraine Crisis Media Centre, StopFake für zuverlässige und genaue Informationen über die Entwicklungen in der Ukraine. Unter Texty.org.ua finden Sie anschauliche Umfragedaten zum Vorfeld der Wahlen und bei Ukraineworld finden sie die Live-Updates der Wahlen 2019.
Von EU vs Disinfo