Von Ulli Tückmantel – Cyberangriffe aus Russland: Hauptsache, Deutschland schaden (Westdeutsche Zeitung, 15.9.2017)
Neben Cyberangriffen und Propagandasendern setzt Putin zur Zersetzung der Demokratie auf eine Twitter-Armee – und die AfD.
Berlin. Anständige Menschen müssen nicht wissen, wer Jürgen F. ist. Der Hamburger bezeichnet politische Gegner als „psychopathologisch gestörte grün-linke Gutmenschen“ und sondert auf seinem Internet-Blog Hass-Botschaften ab. Wahrscheinlich würden seine Ergüsse („Steht Merkels Rücktritt kurz bevor?“, „Weshalb die Homo-Ehe eine historische Fehlleistung darstellt“) noch weniger Menschen lesen, wenn Russlands Propaganda-Maschine nicht so fleißig für ihn werben würde.
Seine Internetpräsenz gehört zu den Adressen, die russische Bots und Trolle über ihre Twitter-Konten am häufigsten verbreiten. Die überparteiliche „Alliance for Securing Democracy“ (Allianz zur Sicherung der Demokratie) macht nun erstmals sichtbar, „welche Auswirkungen Online-Beeinflussungsnetzwerke auf politische Prozesse in Deutschland haben.“
Rechtspopulistische Inhalte werden verstärkt
Dazu werden auf der „Dashboard“ genannten Plattform Themen und Inhalte abgebildet, die eindeutig russische Propaganda-Quellen wie RT Deutsch (Russia Today) und Sputnik, aber auch andere Twitter-Accounts, Trolle und Bots absetzen, die zur Verbreitung russischer Beeinflussung und Desinformation beitragen.
Aktuell zielten die in Echtzeit zu beobachtenden russischen Kampagnen hauptsächlich darauf ab, rechtspopulistische Inhalte zu verstärken, so die Dashboard-Betreiber: „Viele der betreffenden Artikel sind gegen Merkel, Geflüchtete und den Islam gerichtet – nur über die AfD wird positiv berichtet“, so die Alliance.
Von 18 entsprechenden Artikeln seien fünf direkte Empfehlungen, die AfD zu wählen, vier kritisieren und kriminalisierten die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik, fünf weitere seien fake news über angebliche Verbrechen von Geflüchteten und Asylbewerber, vier weitere schürten Angst vor Islamisierung und islamistischer Gewalt.
Hinter der „Alliance for Securing Democracy“ steckt der German Marshall Fund of the United States (GMF), jener berühmte „Marshall-Plan“, dessen Finanzmittel nach dem Zweiten Weltkrieg zum Gründungsmythos der Bundesrepublik gehörten. Vorbild ist ein amerikanisches Projekt des GMF, das auf den Namen „Hamilton 68“ hört.
Zum Hintergrund: Alexander Hamilton (1757-1804) war einer der Väter der amerikanischen Verfassung und der maßgebliche Autor der „Federalist Papers“. Diese Serie von 85 Artikeln in den Jahren 1787 und 1788 sollte die New Yorker von der Annahme der neuen Verfassung überzeugen. Im Federalist Paper 68, das sich mit der Wahl des Präsidenten befasst, schrieb Hamilton: „Von diesen tödlichsten Gegnern der republikanischen Regierung wurden vielleicht natürlich Angriffe aus mehr als einem Köcher erwartet, aber vor allem aus dem Verlangen von fremden Mächten, einen unangemessenen Aufsteiger in unseren Räten zu gewinnen ( . . .) durch die Erhebung einer eigenen Kreatur zum Oberhaupt der Union . . .“