Zweieinhalb Jahre nachdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hat, wird es für die Bürger der Halbinsel immer beängstigender und härter ihre Meinung zu äußern. Dies wird vor allem relevant, wenn sich ihre Meinung von der Meinung der russischen Behörden unterscheidet, sagt Krasimir Yankov der Menschenrechts-Experte von Amnesty International Ukraine. Den folgenden Artikel verfasste Alyona Zhuk für die englischsprachige Zeitung Kyiv Post.
„Wir reden jetzt nicht allein über die Missachtung der Redefreiheit und Einschränkung des Rechts auf Meinungsäußerung, wir sprechen über die Strafverfolgung der Dissidenten“, sagte Yankov in einem Interview für die RFE/Radio Liberty Krim-Nachrichtenwebsite „Krym. Realität“, am 5. November.
Seit der russischen Militärinvasion [auf der Krim, Anm. StopFake] haben Menschenrechtsorganisationen mindestens 269 Fälle von Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, einschließlich Entführungen, Durchsuchungen von Büros und Wohnungen, Verhaftungen und Kriminalfälle, die aufgrund gefälschter Beweisführung erhoben wurden.
Yankov hat zusammen mit anderen Mitarbeitern von Amnesty International fünf Tage auf der Halbinsel Krim verbracht und wird daraus im Dezember einen Bericht mit den Ergebnissen der Mission veröffentlichen.
Er sagte, dass russische Beamte nicht alle Krimtataren auf der Krim strafrechtlich verfolgen, weil einige von Ihnen auch mit den russischen Behörden kooperieren und diese unterstützen. Jedoch sind alle, die dem russischen Regime nicht zustimmen, prinzipiell in ihrer Freiheit gefährdet.
Sechs Männer, die der Mitgliedschaft der Hizb ut-Tahrir bezichtigt werden, sind seit mehr als sechs Monate im Vorsorgehaft auf der Krim inhaftiert. Hizb ut-Tahrir ist eine internationale islamistische politische Organisation, die zwar in der Ukraine legal ist, aber die in Russland als terroristisch verboten wurde. Laut dem Anwalt der Verhafteten Emil Kurbedinov, haben die Ermittler mit dem für sie vereinbart.
Nach ihrem Anwalt Emil Kurbedinov nach, nutzen die Ermittler des russischen Geheimdienst FSB zwangspsychiatrische Untersuchungen gegenüber den Verdächtigen.
Solche Maßnahmen wurden bereits auf Ilmi Umerov angewandt, dem 59-jährigen stellvertretenden Vorsitzender der Mejlis des Krimtatarischen Volkes (das Krimtatarische Parlament). Er wird angeklagt, öffentlich die Verletzung territorialen Integrität der Russischen Föderation zu fordern. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft im Gefängnis. Trotz zahlreicher Aufrufe von internationalen Menschenrechtsbeobachter ihn nicht zu internieren, wurde er für drei Wochen bis zum 7. September in einer Psychiatrie zwangsweise untergebracht.
Umerov bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, er sagt, er habe eher für die Wiederherstellung der territorialen Integrität Russlands aufgerufen. Im Gespräch mit dem Krimtatarischen Fernsehsender ATR im März 2015 sagte Umerov, dass die Ukraine sowie auch ihre westliche Partner die Sanktionen gegen Russland verstärken sollten, damit Russland die Krim und die östlichen Regionen der Ukraine freiwillig verlassen müsse.
Russische Experten führten daraufhin eine linguistische Untersuchung seines Interviews durch, die ergab, dass das Interview, extremistische Inhalte enthalte. Dies verkündete Umerov in einem Facebook-Beitrag vom 20. Oktober diesen Jahres.
In Bezug auf Nachrichten über die sechs angeklagte Männer, die in die psychiatrische Klinik eingewiesen wurden, sagte er in einem neuen Beitrag auf seiner Facebook-Seite, dass die neuen Autoritäten auf der Krim versuchten, die Elemente der Strafpsychiatrie aus Zeiten der Sowjetunion zu reaktivierten.
„Wenn eine gesunde Person in einer psychiatrischen Klinik zu bleiben hat, ist selbst die „Untersuchung“ eine Folter, die nur darauf abzielt den Patienten einzuschüchtern. Ich wünsche Ihnen Geduld und Stärke im Geiste“, sagte er.
In der Zwischenzeit verteilen russischen Behörden in Sankt Petersburg Posters in der Stadt und in der U-Bahn, die sagen: „Extremismus ist kein Witz, auch nicht online. Wenn er richtig festgestellt wird – erhält er das richtige Urteil.“ Die Poster verweisen auch auf den Artikel des russischen Strafgesetzbuches über öffentliche Äußerungen zu Extremismus – die Strafe ist von zwei bis fünf Jahren Gefängnis.