Die russische Webseite Ukraina.ru veröffentlichte vor einer Woche einen Artikel, der behauptet, dass ein ehemaliger ukrainischer Marinekommandeur festgestellt hat, dass sich die ukrainischen Seestreitkräfte komplett selbst aufgelöst haben. Ukraina.ru kehrte in der Berichterstattung zu ihrem liebsten Vorgehen zurück: Passagen aus dem Zusammenhang und Kontext reißen, falsche Schlussfolgerungen ziehen, die die anti-ukrainische Agenda der russischen Medien befriedigen und Kontextinformationen aussparen.
Lenta.ru, der Fernsehsender des russischen Verteidigungsministeriums Zvezda, Zhurnalistskaya Prawda und andere Seiten folgten schnell die Geschichte
Here’s what really happened.
Schauen wir uns die Sachlage genauer an, was wirklich passiert ist: Der ehemalige ukrainische Marinekommandeur Vizeadmiral Serhiy Hayduk gab der Radiosendung Ihre Freiheit von Radio Liberty ein Interview. In diesem beschrieb er den Zustand der ukrainischen Seestreitkräfte als kritisch:
„Wenn wir nicht anfangen, auf den vielfältigen Betrieb von Schiff-, Land- und Luftstreitkräften aufzupassen, werden sie über ihr eigentliches Verfallsdatum hinausgehen und aufhören als solche zu existieren“, erklärte Hayduk.
Die Ukraine besetzt selbst keine Doktrin für ihre Seestreitkräfte. Es gibt keine Marineentwicklungsstrategie, kein staatliches Programm für den Schiffbau, merkte Hayduk kritisch an. Hayduk frage sich:
„Wenn ein Land keine eigene Doktrin und Entwicklungsstrategie habe, wie können ein Land dann seine nationalen Interessen schützen und die eigenen Seestreitkräfte fördern?“
Ein anderer Gast in der Radiosendung war der Sprecher der ukrainischen Seestreitkräfte Oleh Chubuk. Er wies darauf hin, dass sich der Zustand der ukrainischen Flotte nach der Krim-Annexion durch Russland bedeutend verschlechtert hat. Auf der Krim befand sich die Mehrheit der stationierten ukrainischen Seestreitkräfte, die im März 2014 von Russland annektiert wurde. Dabei ging ein Großteil der ukrainischen Schiffe in russischen Besitz über. Er betonte zugleich aber auch, dass die Ukraine ihre maritime Infrastruktur umbaut und gegenwärtig die Kampf- und Truppenfähigkeit der Seestreitkräfte verbessert.
Wirft man einen Blick in das Weißbuch aus dem Jahr 2016, hat die ukrainische Marine neue Waffensysteme zu ihrem maritimen Arsenal hinzugefügt, ein neues mobiles Kommunikationssystem vorgestellt und ist dabei die Fregatte Hetman Sahaidatschnyj zu modernisieren. Das Weißbuch ist ein jährlicher Bericht, der über die militärische Aktivitäten und neue Entwicklungen der Streitkräfte informiert und vom ukrainischen Verteidigungsministerium zusammengestellt wird.
Der ukrainische Verteidigungsminister Poltorak hat das Jahr 2017 selbst zum Jahr der Marine erklärt und damit dieses Segment der ukrainischen Streitkräfte zur Priorität für eine Erweiterung und Weiterentwicklung gemacht.